Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeld. Ruhen infolge verspäteter Meldung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit. Zugang der Meldung bei Scanzentrum. Zugang nach Umzug der adressierten Geschäftsstelle der Krankenversicherung und Nachsendeauftrag
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn ein Krankenversicherungsträger nachvollziehbar vorträgt, dass seine Eingangspost generell taggleich in einem Scanzentrum erfasst werde und die gescannten Dokumente mit einer unveränderlichen elektronischen Signatur oder einem elektronischen Eingangsstempel versehen würden, bedeutet dies nicht, dass der Versicherte, der eine rechtzeitige Meldung nach § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V für die weitere Krankengeldzahlung abzugeben hat, den Zugangszeitpunkt der Meldung nicht mehr nachweisen muss. Insbesondere pauschale Behauptungen zur vermeintlichen Fehleranfälligkeit des Scanprozederes und der damit verbundenen elektronischen Erfassung des Zugangszeitpunkts zwingen nicht zu diesbezüglichen Ermittlungen von Amts wegen und führen auch nicht zu einer Umkehr der Beweislast.
2. Wenn bei einer postalischen Meldung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit die Frist des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V deshalb nicht gewahrt wird, weil die vom Versicherten adressierte Geschäftsstelle umgezogen war und der Krankenversicherungsträger einen Nachsendeauftrag eingerichtet hatte, fällt eine dadurch bedingte Zugangsverzögerung grundsätzlich - dh abgesehen von besonders gelagerten Fällen, in denen für einen Mitarbeiter der Krankenversicherung ein drohender Rechtsverlust offensichtlich wird - in den Verantwortungsbereich des Versicherten.
Orientierungssatz
Az beim LSG Chemnitz: L 1 KR 500/20 NZB.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Zahlung von Krankengeld auch für den Zeitraum vom 12. April 2017 bis 19. April 2017.
Der am 29. August 1964 geborenen, sozialversicherungspflichtig beschäftigten und bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten Klägerin wurde von ihrer Hausärztin Dr. H.... am 10. März 2017 bis zum 4. April 2017 aufgrund der Diagnose K80.2 (nach ICD-10- GM, Version 2017: Gallenblasenstein ohne Cholezystitis, ohne Angabe einer Gallenwegsobstruktion) Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Nachdem die Klägerin diese Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die Beklagte gesandt hatte und Entgeltfortzahlung bis zum 12. März 2017 erfolgt war, nahm die Beklagte an 13. März 2017 die Zahlung von Krankengeld an die Klägerin in Höhe von 72,16 EUR brutto bzw. 63,41 EUR netto auf.
Unter dem 30. März 2020 übersandte die Beklagte der Klägerin ein Anschreiben u.a. mit einem „Merkblatt Krankengeld“ und Formblättern zur „Tätigkeitsbeschreibung“, zur „Änderung der Bankverbindung [...]“ sowie zur „Erklärung zum Bezug von Geldleistungen [...] vor der ersten Auszahlung des Krankengeldes“. Das Anschreiben enthielt den Hinweis „Postanschrift / B.... / .... W....“ und die Formblätter waren bereits mit der Rücksendeadresse „B.... / .... W....“ versehen worden.
Im Zeitraum vom 5. April 2017 bis 11. April 2017 wurde die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankung im Kreiskrankenhaus B... stationär behandelt; die Beklagte zahlte auch für diesen Zeitraum Krankengeld an die Klägerin.
Unter dem 11. April 2017 stellte Dr. H.... der Klägerin eine Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgrund der bisherigen Diagnose für den Zeitraum bis 9. Mai 2017 aus. Diese sandte die Klägerin an die Beklagte, wobei sie - wie zuvor - die ehemalige nahegelegene Geschäftsstelle der Beklagten in der R....straße, B.... anschrieb.
Mit Bescheid vom 2. Mai 2017 lehnte die Beklagte die Zahlung von Krankengeld für den Zeitraum vom 11. April 2017 bis zum 19. April 2017 ab, da ihr die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 11. April 2017 erst am 20. April 2017 und damit nicht innerhalb einer Woche nach Ausstellung zugegangen sei.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 8. Mai 2017 Widerspruch ein. Sie sei am 12. ... April 2017 bei ihrer Hausärztin vorstellig geworden, wo ihr auch eine Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt worden sei. Sie habe diese noch am 12. April 2017 in einen Postbriefkasten in A... eingeworfen. Daher müsste die Bescheinigung noch rechtzeitig innerhalb einer Woche eingegangen sein.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2017 zurück. Zur Begründung hat sie auf die gesetzlichen Regelungen verwiesen. Demnach ruhe der Anspruch auf Krankengeld, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet worden sei. Dies gelte nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit bzw. des Zeitraums der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit bei der Krankenkasse eingehe. Die Meldung sei Pflicht des Versicherten. Er trage nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch das Risiko dafür, dass die rechtzeitig zur Post aufgegebene Meldung die Krankenkasse gar nicht oder nicht mehr rechtzeitig erreiche. Vorliegend sei ...