Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitgegenständlich sind Leistungen nach dem OEG. Der Beklagte hat als geschützte Tat im Sinne des § 1 OEG anerkannt: tätlicher Angriff eines guten Freundes des Klägers am 19.05.2014, Faustschläge und nach Sturz Fußtritte ins Gesicht. Als Schädigungsfolge wurde mit Bescheid vom 01.10.2015 anerkannt: Knochennarbe Nasenbein; Narbe Nasenwurzel; akute Belastungsreaktion. Ein GdS wurde im Zeitraum 01.05,2014 bis 31.01.2015 von 10 festgestellt und ab 01.02.2015 wurde kein GdS festgestellt. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Es wurde der vorläufige Entlassungsbericht der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie vom 16.12.2015 beigezogen. Darin wurde ausgeführt, dass Ursache für die stationäre Aufnahme eine zunehmende Überlastung des Klägers im häuslichen und beruflichen Umfeld waren. Weiter spielten für den Kläger die Versorgung der Mutter und Probleme durch einen Stalker eine Rolle.
Nach Widerspruch wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.06.2016 abgewiesen. Anamnestisch bekannt sei, dass der Kläger sich bei unglücklich erlebter Kindheit durch dominanten und verbal aggressiven Stiefvater, viel Umzüge und Streitereien der Eltern schüchtern und verschlossen entwickelte. Belastende Ereignisse habe er bereits in der 7. Klasse erfahren (an Baum gebunden, gefesselt, geschlagen; Brutalität in Beziehung im 18. Lebensjahr). Die Lehre zum Binnenschiffer habe der Kläger zwar abschließen können, allerdings sei die Tauglichkeit für die Ausübung des Berufes wegen bestehender Epilepsie nicht mehr erfüllt gewesen. Der Kläger habe das Abitur nachgeholt und ein Studium Logistik im Fachbereich Schiffbau/Schiffsbetriebstechnik absolviert. Belastend sei für den Kläger die berufliche und private Überforderung. Nach dem Ende des Strafverfahrens sei auch die akute Belastungsreaktion, die mit einem GdS von 10 bewertet worden sei, nicht mehr gegeben.
Mit der Klage vom 06.07.2016 verfolgt der Kläger weiter das Ziel der Leistung nach dem OEG.
Auf Anregung des Klägers wurde im Erörterungstermin vom 01.02.2018 das Ruhen des Verfahrens angeordnet, weil der Kläger in einem Schadensersatzprozess vor dem Landgericht Leipzig psychiatrisch untersucht werden sollte. Am 09.07.2020 stellte die Kammer fest, dass der Ruhensgrund entfallen war. Es lag das Gutachten vom 03.09.2018 des Dipl. Psych. R. S. vor. Dieses und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.05.2019 und das Urteil vom 19.07.2019 wurden beigezogen. Dem Gutachten ist zu entnehmen, dass sich an das Tatgeschehen vom 19.05.2014 Bedrohungen des Täters angeschlossen hatten. Der Sachverständige führt aus, dass die Folgen der Tat und der anschließenden Drohung hinsichtlich der Kausalität schwer in ihren jeweiligen Anteilen darstellen ließen. Lediglich das Symptom der einschießenden Bilder sei ohne begründeten Zweifel auf das Verfahrensgegenständliche Ereignis zurückzuführen. Es sei nicht möglich, die psychischen Probleme des Klägers mit der geforderten an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit auf das verfahrensgegenständliche Ereignis vom 19.04.2014 zurückzuführen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 01.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.06.2016 aufzuheben und dem Kläger Leistungen nach dem OEG zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte vertritt folgende Auffassung:
Der Kläger hat insgesamt eine schwierige Kindheit erlebt mit frühem Verlust einer wichtigen Bezugsperson, Entwertung und Gewalt durch den Stiefvater, Mangel an Schutzerleben durch die Mutter (im Gegenteil, er sorgte sich um sie), mit Ablehnung, Ausgrenzung und Gewalt durch die Mitschüler und offenbar einem sexuellen Ereignis, das traumatisch erlebt wurde. Die Lebensgeschichtlichen Ereignisse und Erfahrungen haben jedoch zu keinem manifesten psychischen Vorschaden geführt, der Kläger hat hinsichtlich seines Ausbildungsweges keine Beeinträchtigung erlitten und auch die krankheitsbedingten (Epilepsie) Probleme gemeistert, hat sich neu orientiert. Sehr wohl haben sie aber seine Persönlichkeitsstruktur geprägt, es ist von deutlichen narzistischen Anteilen mit dysfunktionalen Bewertungsansätzen gegenüber dem Selbstbild die Rede. Auch die Beziehungsgestaltung wurde offenbar insbesondere nach der negativen sexuellen Erfahrung in der Jugend nachhaltig gestört, Partnerschaften seien nicht gut geendet, zur Freundin des Täters bestand ein ambivalentes Verhältnis. Diese Problematik trat in letzter Zeit wieder verstärkt an die Oberfläche und führte nach vorliegenden Informationen zu einer behandlungsbedürftigen Beeinträchtigung.
Die Tätlichkeit am 19.05.2014 ist nachgewiesen, hat zu vorübergehenden körperlichen Gesundheitsstörungen geführt, eine psychische Beeinträchtigung ist aber nicht erkennbar.
Der Kläger konnte flüchten, sich in Sicherheit bringen, hat Hilfe herbeigerufen und ist sogar noch am Tatort verblieben, bis die Polizei eintraf. Es lässt sich ein rationales Denk...