Leitsatz (amtlich)

Ausnahmsweise kann ein Anspruch auf Erstattung der Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwaltes auch dann notwendig und zweckmäßig sein, wenn wegen der (existenziellen) Bedeutung des Rechtstreites für den Antragsteller, auch im Verhältnis Streitwert - Reisekosten, der besonderen Sachkunde des Rechtsanwaltes und dessen besonderen Vertrauensverhältnisses zur Mandantschaft, ein Anwaltswechsel unzumutbar erscheint und die Entscheidung des Rechtsstreites voraussichtlich verzögern würde.

 

Tenor

I. Auf die Erinnerung des Antragstellers und Erinnerungsführers vom 23.09.2002 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 17.09.2002 abgeändert:

Die von der Antragsgegnerin und Erinnerungsgegnerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten werden gem. § 197 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf 2584,58 EUR zuzüglich 820,66 DM Reisekosten (entsprechend 419,60 EUR), d.h. insgesamt 3004,18 EUR Dreitausendvier 18/100 EUR festgesetzt.

II. Der Kostenerstattungsantrag des Antragstellers im Hinblick auf die Gerichtskosten ist mit 5 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank (EZB) seit Antragstellung zu verzinsen.

 

Gründe

I.

Das Gericht hat mit Urteil vom 13.12.2001 unter Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide der Antragsgegnerin (Ag) der Klage stattgegeben und die Ag verurteilt, die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers (Ast) zu tragen.

Am 18.04.2002 beantragte der Ast Streitwert- und Kostenfestsetzung. U.a. machte der Prozessbevollmächtigte des Ast Nettoreisekosten nach § 28 Abs. 2 Nr. 2 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) in Höhe von 822,66 DM geltend. Diesbezüglich legte er eine Ablichtung der Kosten für den Flug von Düsseldorf nach Leipzig und zurück vor. Unter Auflistung der Kosten für das Widerspruchs- und das gerichtliche Verfahren beantragte er abschließend, auszusprechen, dass der Kostenerstattungsantrag mit 5 % über dem Basiszinssatz der EZB seit Antragstellung verzinst werden möge.

Durch Beschluss vom 24.05.2002 hat das Sozialgericht den Gegenstandswert im Widerspruchsverfahren auf 96.714,28 DM und für das gerichtliche Verfahren auf 49.444,62 DM festgesetzt.

Die Ag erhob keinerlei Einwendungen gegen die geltend gemachten Gebühren und Auslagen nach §§ 116 und 26 BRAGO; sie wandte sich allerdings gegen die Erstattung von Reisekosten nach § 28 BRAGO.

Unter dem 05.07.2002 wies die Kostenbeamtin darauf hin, dass voraussichtlich keine Erstattung der Reisekosten erfolgen könne. Durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.09.2002 setzte sie die zu erstattenden außergerichtlichen Kosten gem. § 197 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf insgesamt 2608,10 EUR fest. Darin waren fiktive Kosten einer Informationsreise in Höhe von 46,00 DM (entsprechend 23,52 EUR), jedoch nicht die geltend gemachten Flugkosten, enthalten.

Der Ast hat hiergegen am 23.09.2002 Erinnerung eingelegt. Dem Kostenfestsetzungsbeamten sei es versagt, zu prüfen bzw. dem Kostengläubiger vorzuschreiben, welchen Anwalt seines Vertrauens er auswähle.

Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

II.

Auf Antrag der Beteiligten und ihrer Bevollmächtigten setzt der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs den Betrag der zu erstattenden Kosten fest (§ 197 Abs. 1 Satz 1 SGG). Gegen dessen Entscheidung kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet (Abs. 2 der Vorschrift).

Die dergestalt statthafte Erinnerung ist zulässig und begründet.

Der Ast hat gegenüber der Ag auch einen Kostenerstattungsanspruch für die zur Terminswahrnehmung aufgewandten Flugkosten von Düsseldorf nach Leipzig und zurück. Die demgegenüber von der Kostenbeamtin in Ansatz gebrachten fiktiven Reisekosten (vgl. dazu: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.09.1998, Az: 3 WF 175/98) waren von der Gesamtsumme abzuziehen. Die tatsächlich entstandenen Reisekosten erweisen sich nach gerichtlicher Überprüfung als notwendig.

Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Die gesetzlichen Gebühren und die notwendigen Auslagen eines Rechtsanwalts (§§ 25 bis 30 BRAGO) und eines Rechtsbeistandes sind stets erstattungsfähig (§ 193 Abs. 2 und 3 SGG). Für auswärtige Rechtsanwälte, die nicht am Gerichtsort wohnen, sind Reisekosten nur erstattungsfähig, soweit sie notwendig sind, insbesondere für die Wahrnehmung von Gerichtsterminen. Etwas anderes gilt dann, wenn die Reisekosten in einem auffälligen Missverhältnis zur Bedeutung der Sache und den sonstigen Kosten stehen (wie hier: Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl., Rdnr. 9 a).

Aus der gesetzgeberischen Wertung ergibt sich somit Folgendes: Der Gebührenanspruch des Rechtsanwalts ist stets erstattungsfähig. Aufwendungen der Beteiligten und Auslagen des Rechtsanwalts stehen indes unter dem Vorbehalt der Notwendigkeit. Die Verwendung der Begriffe "zweckentsprechend" und "notwendig" in § 193 Abs. 2 und 3 SGG sind Ausdruck der Verpflichtung der Beteiligten, die Kosten ihrer Prozessführung, ...

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