Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. Tätigkeit als Ingenieur bei einem Rationalisierungsbetrieb. volkseigener Produktionsbetrieb. gleichgestellter Betrieb. bezirksgeleiteter Betrieb. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Eine Tätigkeit in einem Rationalisierungsbetrieb konnte keine Zusatzversorgungsanwartschaft begründen. Ein solcher Betrieb sollte vorrangig produzierende Betriebe durch Ausschöpfung von Rationalisierungsmöglichkeiten unterstützen und nicht die Produktion selbst in größeren Stückzahlen vornehmen. Er war damit selbst kein Produktionsbetrieb iS der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17.8.1950 (GBl DDR 1950, 844) - ZAVtIV.
2. Bezirksgeleitete Unternehmen unterfielen nicht der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. Organisationsrechtlich hat das Recht der ehemaligen DDR mithin zwischen wirtschaftsleitenden Tätigkeiten von zentralen wirtschaftsleitenden Staatsorganen und denen der örtlichen (territorialen) Ebene unterschieden. Wenn § 5 der ZAVtIV eine Ermächtigung zum Erlass der Verordnung vom Einvernehmen des Ministeriums der Industrie abhängig machte, kann dies nur für solche Betriebe Anwendung finden, für die auch eine funktionale Zuständigkeit des Ministeriums der Industrie als deren zentrales wirtschaftsleitendes Organ bestanden hatte. Denn es galt allgemein der Grundsatz, dass Wirtschaftseinheiten von Staatsorganen, die ihnen nicht übergeordnet waren, "Auflagen und Verfügungen", dh verbindliche Einzelentscheidungen, nur insoweit erhalten durften, wie diese Organe "dazu durch Rechtsvorschriften ermächtigt" waren. Für eine, über den Zuständigkeitsbereich hinausreichende, Ermächtigung des Industrieministeriums auch für bezirksgeleitete Betriebe gibt es rentenrechtlich keinerlei Anhaltspunkte.
3. Der unterschiedlichen rechtlichen Behandlung von Ingenieuren in volkseigenen und gleichgestellten Produktionsbetrieben zu denjenigen, die nur auf Antrag in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen werden konnten, oder die in anderen Betrieben beschäftigt gewesen waren, steht auch nicht Art 3 Abs 1 GG entgegen.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte als Zusatzversorgungsträger verpflichtet ist, nach § 8 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVI) festzustellen.
Der 1942 geborene Kläger legte an der Ingenieurschule für Maschinenbau "W. U." in R. am 27.02.1970 seine Abschlussprüfung in der Fachrichtung Fördertechnik ab und erwarb das Recht zum Führen der Berufsbezeichnung "Ingenieur". Anschließend war er seit 02.03.1970 in mehreren Betrieben als Objekt-/Invest-Ingenieur beschäftigt, ab 01.01.1988 bis 30.06.1990 als Hauptprojektant beim Volkseigenen Betrieb (VEB) Ratio L., Stammbetrieb des VEB Kombinat L. M.
Am 08.09.2000 beantragte er bei der Beklagten die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften in die gesetzliche Rentenversicherung.
Durch Bescheid vom 14.05.2002 lehnte die Beklagte den Zeitraum 02.03.1970 bis 30.06.1990 als nachgewiesene Zeit der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz ab. Es sei keine Versorgungsanwartschaft im Sinne des AAÜG entstanden. Weder habe zu Zeiten der DDR eine positive Versorgungszusage vorgelegen, noch habe er am 30.06.1990 eine Beschäftigung ausgeübt, die - aus bundesrechtlicher Sicht - dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen wäre. Das AAÜG sei damit nicht anwendbar.
Hiergegen legte der Kläger am 10.06.2002 Widerspruch ein. Er sei seit 02.03.1970 ununterbrochen als Ingenieur in volkseigenen Produktionsbetrieben tätig gewesen. Dies gelte auch für den letzten Beschäftigungsbetrieb, den VEB Ratio, Stammbetrieb des VEB Kombinat L. M., Betriebsteil Mechanisierung. Auch wäre bei der üblichen Bearbeitungsfrist von sechs Monaten der Antrag des Klägers vom 08.09.2000 voraussichtlich positiv verbeschieden worden, da die Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG), auf die die Beklagte Bezug nehme, auf den 09.04.2002 datierten.
Durch Widerspruchsbescheid vom 05.12.2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Einbeziehung von Ingenieuren in die zusätzliche Altersversorgung setze neben der Ausübung einer ingenieurtechnischen Beschäftigung in einem VEB bzw. einem gleichgestellten Betrieb den Abschluss einer ingenieurtechnischen Ausbildung voraus. Zwar entspreche die ausgeübte Beschäftigung der technischen Qualifikation; sie sei jedoch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem gleichgestellten Betrieb ausgeübt worden, sondern in einem Rationalisierungs- und Projektierungsbetrieb. Rationalisierungs- und Projektierungsbetriebe zähl...