Entscheidungsstichwort (Thema)

Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. Diplom-Ingenieur. VEB Bezirksdirektion für Straßenwesen. bezirksgeleiteter Betrieb. volkseigener Produktionsbetrieb. gleichgestellter Betrieb. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Die Bezirksdirektion des Straßenwesens war bereits ab 2.3.1967 ein im Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragener volkseigener Betrieb; übergeordnetes Organ war jedoch nicht ein (bzw das) Ministerium für Industrie, sondern der Rat des Bezirkes Leipzig. Bezirksgeleitete Unternehmen unterfielen jedoch nicht der Versorgungsordnung.

2. Organisationsrechtlich hat das Recht der ehemaligen DDR mithin zwischen wirtschaftsleitenden Tätigkeiten von zentralen wirtschaftsleitenden Staatsorganen und denen der örtlichen (territorialen) Ebene unterschieden. Wenn § 5 der ZAVtIV (Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben) vom 17.8.1950 somit eine Ermächtigung zum Erlass der Verordnung vom Einvernehmen des Ministeriums der Industrie abhängig machte, kann dies nur für solche Betriebe Anwendung finden, für die auch eine funktionale Zuständigkeit des Ministeriums der Industrie als deren zentrales wirtschaftsleitendes Organ bestanden hatte. Denn es galt allgemein der Grundsatz, dass Wirtschaftseinheiten von Staatsorganen, die ihnen nicht übergeordnet waren, "Auflagen und Verfügungen", dh verbindliche Einzelentscheidungen, nur insoweit erhalten durften, wie diese Organe "dazu durch Rechtsvorschriften ermächtigt" waren (§ 8 Abs 2 VoEigKombV - Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Be-triebe vom 8.11.1979). Für eine, über den Zuständigkeitsbereich hinausreichende, Ermächtigung des Industrieministeriums auch für bezirksgeleitete Betriebe gibt es rentenrechtlich indes keinerlei Anhaltspunkte.

3. Als betriebliche Einrichtung war der VEB Bezirksdirektion des Straßenwesens ein Organ des Staatsapparates im Territorium und damit keine "Hauptverwaltung" im Sinne der Versorgungsordnung.

4. Als Produktionsbetriebe waren nur solche VEB zu verstehen, die die industrielle Fertigung von Sachgütern betrieben (vgl BSG vom 9.4.2002 - B 4 RA 41/01 R = SozR 3-8570 § 1 Nr 6). Wie aufgezeigt, gab jedoch nicht die industrielle Produktion dem VEB Bezirksdirektion für Straßenwesen sein "Gepräge" (vgl BSG vom 10.4.2002 - B 4 RA 10/02 R = SozR 3-8570 § 1 Nr 5).

5. Der unterschiedlichen rechtlichen Behandlung von Ingenieuren, Technikern, Architekten usw in volkseigenen und gleichgestellten Betrieben zu denjenigen, die nur auf Antrag in die AVI einbezogen werden konnten, oder die in anderen Betrieben beschäftigt gewesen waren, steht auch nicht Art 3 Abs 1 GG entgegen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 08.06.2004; Aktenzeichen B 4 RA 57/03 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte als Zusatzversorgungsträger verpflichtet ist, nach § 8 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung technische Intelligenz (AVI) festzustellen.

Der ... 1947 geborene Kläger erwarb nach einem Studium an der Hochschule für Verkehrswesen "Friedrich List" in D den akademischen Grad eines "Diplom-Ingenieurs". Anschließend arbeitete er ab 06.09.1971 als Bauingenieur beim volkseigenen Betrieb (VEB) Montagekombinat Süd in L ab 01.01.1973 beim VE Verkehrs- und Tiefbaukombinat L und ab 01.08.1974 als Bauleiter bei der Bezirksdirektion für Straßenwesen L ab 01.01.1975 bis 30.06.1990 beim VEB Bezirksdirektion des Straßenwesens.

Am 06.02.2002 beantragte er bei der Beklagten die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften in die gesetzliche Rentenversicherung.

Durch Bescheid vom 10.05.2002 lehnte die Beklagte die Anerkennung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 (zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz) der Anlage 1 zum AAÜG ab. Es sei keine Versorgungsanwartschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 AAÜG entstanden. Weder habe eine positive Versorgungszusage zu Zeiten der DDR vorgelegen, noch habe er am 30.06.1990 eine Beschäftigung ausgeübt, die - aus bundesrechtlicher Sicht - dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen wäre. Das AAÜG sei damit nicht anwendbar.

Hiergegen legte der Kläger am 10.06.2002 Widerspruch ein. Die Beklagte verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn sie in anderen gleichgelagerten Verfahren bei gleicher Ausbildung, gleichem Arbeitgeber und gleichen Tätigkeiten Zugehörigkeitszeiten - im Unterschied zu ihm - festgestellt habe. Ihm sei aus politischen Gründen der Zugang zu Führungspositionen und entsprechenden Versorgungssystemen verwehrt worden.

Durch Widerspruchsbescheid vom 21.01.2003, per Einschreiben zugestellt am 31.01.2003, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Er habe zwar als Ingenieur eine seiner Qualifikation entsprechende Beschäftigung ausgeübt; beim VEB Bezirksdirektion für Str...

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