Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Minderung der Leistungsfähigkeit. Nahtlosigkeitsregelung. nicht bestandskräftige ablehnende Entscheidung des Rentenversicherungsträgers
Leitsatz (amtlich)
Unter "Feststellung der verminderten Erwerbsfähigkeit durch den zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung" ist nur die rechtskräftige Entscheidung zu verstehen. Auf Grund der Nahtlosigkeitsregelung kann bei verneinender Feststellung die fehlende Abstimmung der zuständigen Sozialversicherungsträger zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Arbeitslosen (und damit seine Verfügbarkeit) nicht zu dessen Lasten gehen.
Tenor
I. Der Bescheid vom 11.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2005 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger auch für den Zeitraum 19.07. bis 23.11.2005 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
III. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über Arbeitslosengeld.
Der am ... geborene Kläger ist gelernter Dreher. Er war ab 01.11.1993 beschäftigt als Lagermitarbeiter und Gabelstaplerfahrer. Seit 05.02.2004 war er wegen einer Herzerkrankung arbeitsunfähig und bezog vom 01.03.2004 bis 18.07.2005 Krankengeld. Nach 78 Wochen war er ausgesteuert. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung zum 31.05.2005 und Zahlung einer Abfindung.
Im Dezember 2004 hatte der Kläger bei der Knappschaft eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragt. Gegen den Ablehnungsbescheid hat er Widerspruch eingelegt, den die Knappschaft durch Widerspruchsbescheid zurückwies. Beim Sozialgericht Chemnitz ist diesbezüglich ein Rentenverfahren anhängig. Es hat am 30.01.2007 Beweis erhoben durch ärztliches Sachverständigengutachten.
Am 22.06.2005 beantragte der Kläger Arbeitslosengeld.
Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.08.2005 ab. Der Kläger sei nicht arbeitslos, weil er ihren Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung stehe. Er sei auch nicht arbeitsfähig, weil er auf Grund seiner Arbeitsunfähigkeit nicht in der Lage sei, mindestens 15 Stunden in der Woche eine versicherungspflichtige Beschäftigung auszuüben.
Hiergegen legte er am 15.08.2005 Widerspruch ein. Die Nahtlosigkeitsregelung greife auch gegenüber dem Rentenversicherungsträger, soweit dessen Bescheid noch nicht in Bestandskraft erwachsen sei.
Bei Vorsprache am 27.09.2005 legte er der Beklagten eine weitere Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung vor, wonach er keine Tätigkeiten ausüben dürfe.
Durch Widerspruchsbescheid vom 11.10.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Da er ihren Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung stehe, sei er nicht arbeitslos. Die Nahtlosigkeitsregelung greife vorliegend nicht, weil bereits bei Antragstellung eine Entscheidung des Rentenversicherungsträgers vorgelegen habe. Auf deren Bestands- oder Rechtskraft komme es nicht an.
Der Kläger hat deswegen am 17.10.2005 Klage zum Sozialgericht Leipzig erhoben. Die Nahtlosigkeitsregelung finde auch auf Fälle laufender Rechtsmittelverfahren Anwendung.
Ausweislich einer Bescheinigung der Allgemeinmedizinerin Dr. J. vom 23.11.2005 könne der Kläger bis zu 3 Stunden am Tag mit leichter Arbeit belastet werden.
Durch Bescheid vom 02.02.2006 bewilligte ihm die Beklagte am 24.11.2005 Arbeitslosengeld bis 23.01.2008 zu einem Leistungsbetrag von täglich 9,62 €.
Nach Hinweis vom 03.03.2006 hat das Gericht noch Unterlagen der Krankenkasse des Klägers, der AOK Sachsen, weitere medizinische Unterlagen der Universität ... - Herzzentrum - (Klinik für Innere Medizin/Kardiologie) vom 20.04.2006, sowie einen Befundbericht von Frau Dr. J. vom 14.07.2006 beigezogen. Vom 15. bis 18.08.2006 befand sich der Kläger stationär im Herzzentrum.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 11.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld auch für den Zeitraum 19.07. bis 23.11.2005 in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf Akteninhalt, eine Gerichtsakte sowie einen Verwaltungsvorgang der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid vom 11.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2005 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat einen Rechtsanspruch auf Bezug von Arbeitslosengeld auch für den Zeitraum 19.07. bis 23.11.2005.
Gemäß § 117 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit. Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit haben Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben (§ 118 Abs. 1 Nr. 1-3 SGB III). Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht, sich bemüht, sei...