Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltsvergütung: Verfahrensgebühr bei einer Untätigkeitsklage. Festsetzung einer Terminsgebühr bei einer einseitigen Erledigungserklärung
Orientierungssatz
1. Eine sozialgerichtliche Untätigkeitsklage ist im Hinblick auf die Vergütung eines prozessbevollmächtigten Rechtsanwalts regelmäßig als unterdurchschnittliche Angelegenheit anzusehen, bei der die Mittelgebühr gemäß Nr. 3102 VV zum RVG die höchstmögliche Gebühr darstellt.
2. Bei der Ermittlung der angemessenen Verfahrensgebühr für einen Rechtsanwalt bewirkt der Umstand, dass der Anwalt den Mandanten in mehreren gleichgelagerten parallelen Verfahren vertritt (hier: sieben Parallelverfahren) eine weitere Reduzierung der festzusetzenden Gebühr.
3. Hat der Rechtsanwalt eine Gebührenabrechnung vorgenommen, kann er diese grundsätzlich nachträglich nicht durch eine Nachfestsetzung ändern, da er an das einmal ausgeübte Ermessen in Bezug auf die Gebührenbestimmung gebunden ist.
4. Bei einer einseitigen Erledigungserklärung einer Untätigkeitsklage nach Erlass des begehrten Sozialverwaltungsaktes kommt die Zuerkennung einer fiktiven Terminsgebühr nicht in Betracht.
Tenor
Die Verfahren mit den Aktenzeichen S 12 SF 180/10 E und S 12 SF 190/10 E werden verbunden. Führend bleibt das Aktenzeichen S 12 SF 180/10 E.
Auf die Erinnerung des Erinnerungsgegners vom 10. Dezember 2010 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 24. November 2010 - S 31 AS 1101/10 - werden die vom Erinnerungsgegner an die Erinnerungsführer zu erstattenden außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits auf einen Gesamtbetrag in Höhe von 147,56 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Oktober 2010 festgesetzt; bereits erfolgte Zahlungen sind dabei in Abzug zu bringen.
Die Erinnerung der Erinnerungsführer vom 29. November 2010 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Erinnerungsverfahren noch um die Höhe der den Erinnerungsführern zu erstattenden außergerichtlichen Kosten eines Untätigkeitsklageverfahrens vor dem Sozialgericht Lüneburg. Das Klageverfahren erledigte sich ohne Durchführung eines Termins zur mündlichen Verhandlung nachdem der Erinnerungsgegner mit Bescheid vom 28. September 2010 über den Überprüfungsantrag der Erinnerungsführer vom 30. Dezember 2009 entschieden hat und die Erinnerungsführer daraufhin das Verfahren für erledigt erklärt haben. Der Erinnerungsgegner erklärte sich auch dem Grunde nach zur Übernahme der notwendigen außergerichtlichen Kosten bereit.
Im vorliegenden Erinnerungsverfahren begehren die Erinnerungsführer die Festsetzung einer höheren Verfahrens- und Terminsgebühr. Der Erinnerungsgegner hält die vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle festgesetzten Gebühren für nicht angemessen.
II.
Die Kammer hat in Anwendung des § 113 Abs. 1 SGG von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Erinnerungsverfahren zu den Aktenzeichen S 12 SF 180/10 E und S 12 SF 190/10 E miteinander zu verbinden, weil die Ansprüche, die den Gegenstand der Rechtsstreitigkeiten bilden, in einem ausreichendem Zusammenhang stehen.
Die gemäß § 197 Abs. 2 SGG zulässige Erinnerung des Erinnerungsgegners vom 10. Dezember 2010 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 24. November 2010 - S 31 AS 1101/10 - ist begründet. Die Erinnerung der Erinnerungsführer vom 29. November 2010 bleibt ohne Erfolg.
Der Gesamtvergütungsanspruch der Erinnerungsführer ist auf einen Betrag von 147,56 € festzusetzen.
Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Ein-zelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein gewisser Toleranzrahmen zusteht. Unbilligkeit liegt vor, wenn er die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Landes-sozialgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006, - L 1 B 320/05 SF SK, zitiert nach juris). Die Aufzählung der Bemessungskriterien in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG ist nach dem Wortlaut der Vorschrift (“vor allem") nicht abschließend, so dass weitere, unbenannte Kriterien mit einbezogen werden können. Sämtliche heranzuziehende Kriterien stehen selbstständig und gleichwertig nebeneinander (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 01. Juli 2009, - B 4 AS 21/09 R, zitiert nach juris). Für jede Rahmengebühr ist dabei eine eigene Prüfung d...