Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung der aus Beratungshilfemitteln dem Rechtsanwalt zugeflossenen Vergütung auf die PKH-Vergütung für das Klageverfahren
Orientierungssatz
1. Für die Anwendung des gebührenverringernden Tatbestandes der Vorbefassung des Rechtsanwalts in einem Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren nach Nr. 3103 VV RVG kommt es nicht darauf an, ob eine vollbezahlte Tätigkeit vorausgegangen ist. Ausschlaggebend ist, dass sich der Arbeitsaufwand des Anwalts verringert, wenn er bereits vorgerichtlich tätig war. Unbeachtlich ist, ob er für das vorausgegangene Verfahren einen Vergütungsanspruch durchsetzen kann.
2. Die dem beigeordneten Rechtsanwalt gewährte Beratungshilfe ist auf die ihm im Wege der PKH zu bewilligenden Gebühren des gerichtlichen Verfahrens in hälftiger Höhe nach Nr. 2503 Abs. 2 S. 1 VV RVG als Nettogebühr anzurechnen.
Tenor
Die Erinnerung der Erinnerungsführerin und Kostenschuldnerin vom 13. Juli 2009 gegen den Kostenansatz der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 01. Juli 2009 - S 40 AS 1862/08 - wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Diese Entscheidung ist gerichtskostenfrei.
Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar.
Gründe
Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit der (hälftigen) Anrechnung der der Erinnerungsführerin aus Beratungshilfemitteln zugeflossenen Vergütung auf ihre Prozesskostenhilfevergütung für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Lüneburg.
Die Erinnerung, über die gemäß § 66 Abs. 6 S. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) das Gericht entscheidet, bei dem die Kosten angesetzt sind, ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat mit ihrem Kostenansatz vom 01. Juli 2009 - S 40 AS 1862/08 - zu Recht einen Betrag in Höhe von 35,00 € von der als Prozessbevollmächtigter im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneter Erinnerungsführerin und Kostenschuldnerin (im Folgenden: Erinnerungsführerin) angefordert.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat zu Recht die gewährte Beratungshilfe hälftig auf die gerichtlichen Gebühren angerechnet. Die Beratungshilfegebühr ist nämlich nach dem unmissverständlichen Wortlaut der Nr. 2503 Abs. 2 S. 1 VV-RVG in hälftiger Höhe auf die Verfahrensgebühr als Nettogebühr anzurechnen.
Ein rechtlicher Gesichtspunkt, der eine Abweichung vom eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut der Regelung in Nr. 2503 Abs. 2 VV RVG gebieten würde, ist nicht ersichtlich. Von der Netto-Gebühr nach Nr. 3103 VV-RVG ist die hälftige Netto-Gebühr nach Nr. 2503 VV-RVG in Abzug zu bringen. Dies ergibt sich aus Nr. 2503 Abs. 2 VV -RVG. Nach dieser Vorschrift ist die Geschäftsgebühr für ein anschließendes gerichtliches Verfahren auf die Gebühr zur Hälfte anzurechnen. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift findet die Anrechnung auch im sozialgerichtlichen Verfahren statt. Der eindeutige Wortlaut lässt insoweit keine Auslegung zu. Es ist auch nicht zu begründen, dass der Gesetzgeber auf Grund eines offenbaren Versehens die Anrechnungsvorschrift bei der Beratungshilfe nicht auch auf die sozialrechtlichen Gebühren abgestimmt hat. Wenn eine Abstimmung im Sinne der vom Erinnerungsführer vertretenen Auslegung lediglich auf Grund eines Versehens des Gesetzgebers unterblieben wäre, so hätte der Gesetzgeber die Möglichkeit zu einer entsprechenden Klarstellung gehabt. Eine solche Klarstellung ist bisher weder erfolgt, noch sind der Kammer überhaupt Bestrebungen bekannt, diese Klarstellung herbeizuführen, zumal die Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes in der jüngeren Vergangenheit mehrfach Gegenstand von Gesetzesänderungen gewesen sind (vgl. das Gesetz zur Neuregelung des Verbots der Vereinbarung von Erfolgshonoraren vom 12. Juni 2008 - BGBl. I 2008, S. 1000 ff. -, das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 - BGBl. I 2008, S. 2586 ff. - sowie insbesondere das Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 - BGBl. I 2009, S. 2449 ff. -).
Hiergegen spricht auch nicht das Vorbringen der Erinnerungsführerin, dass durch die Anwendung des Gebührenrahmes der Nr. 3103 VV-RVG anstelle des Gebührenrahmens der Nr. 3102 VV-RVG eine doppelte Anrechnung der Vorverfahrenstätigkeit erfolge. Für das gerichtliche Verfahren erster Instanz ist gegenüber der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV-RVG eine Verfahrensgebühr mit einem niedrigeren Rahmen für den Fall vorgesehen, dass der Rechtsanwalt bereits im Verwaltungsverfahren oder in dem dem gerichtlichen Verfahren vorausgehenden Vorverfahren tätig geworden ist. Dabei wird berücksichtigt, dass die Tätigkeit in diesen Verwaltungsverfahren die Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren durchaus erleichtert. Daher beträgt der Rahmen der Verfahrensgebüh...