Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts in sozialgerichtlichem Klageverfahren. Zulässigkeit der (hälftigen) Anrechnung der aus Beratungshilfemitteln zugeflossenen Vergütung auf die Prozesskostenhilfevergütung
Orientierungssatz
1. Nach Nr. 2503 Abs. 2 Satz 1 VV-RVG [juris: RVG-VV] ist die Geschäftsgebühr für die Beratungshilfe zur Hälfte anzurechnen auf die Gebühren für ein anschließendes gerichtliches oder behördliches Verfahren. Ein rechtlicher Gesichtspunkt, der eine Abweichung vom eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut der Regelung in Nr. 2503 Abs. 2 Satz 1 VV-RVG gebieten würde, ist nicht ersichtlich.
2. Diese Anrechnung findet nach dem eindeutigen Wortlaut auch in sozialgerichtlichen Verfahren statt. Es liegt weder ein Versehen des Gesetzgebers vor, noch kann eine abweichende Auslegung mit der Argumentation begründet werden, dass wegen der Regelung in Nr. 3103 VV-RVG eine doppelte Anrechnung der Vorverfahrenstätigkeit erfolgen würde.
3. Durch die hälftige Anrechnung der Beratungshilfe wird keine weitere Reduzierung der Vergütung vorgenommen, sondern eine bereits gewährte und geflossene Zahlung schlicht berücksichtigt.
Tenor
Die Erinnerung der Erinnerungsführerin vom 12. Juli 2010 gegen den Ansatz der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 7. Juli 2010 - S 27 AS 1030/08 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit der (hälftigen) Anrechnung der der Erinnerungsführerin aus Beratungshilfemitteln zugeflossenen Vergütung auf ihre Prozesskostenhilfevergütung für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Lüneburg.
Die Erinnerung, über die gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG das Gericht entscheidet, bei dem die Kosten angesetzt sind, ist zulässig, aber unbegründet.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat mit ihrem Kostenansatz vom 7. Juli 2010 - S 27 AS 1030/08 - zu Recht einen Betrag in Höhe von 35,00 € zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer von der als Prozessbevollmächtigte im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Erinnerungsführerin angefordert.
Zutreffend hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle nach Bekannt werden die der Erinnerungsführerin gewährte Beratungshilfegebühr hälftig (35,00 €) auf die Netto-Gebühr nach Nr. 3103 VV-RVG angerechnet.
Nach Nr. 2503 Abs. 2 Satz 1 VV-RVG ist die Geschäftsgebühr für die Beratungshilfe zur Hälfte anzurechnen auf die Gebühren für ein anschließendes gerichtliches oder behördliches Verfahren. Ein rechtlicher Gesichtspunkt, der eine Abweichung vom eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut der Regelung in Nr. 2503 Abs. 2 Satz 1 VV-RVG gebieten würde, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die Nr. 3103 VV-RVG als lex speziales der Anwendung der Anrechnungsvorschrift der Nr. 2503 Abs. 2 VV-RVG vorgeht und eine kumulative Anwendung ausschließt (so SG Berlin, Beschl. v. 02. Oktober 2009 - S 164 SF 1112/09). Von der Netto-Gebühr nach Nr. 3103 VV-RVG ist die hälftige Netto-Gebühr nach Nr. 2503 VV-RVG in Abzug zu bringen (ständige Rspr. der Kostenkammer d. Sozialgerichts Lüneburg, u.a. Beschl. v. 15. Dezember 2009 - S 12 SF 194/09 E m.w.N.; vgl. auch Sozialgericht Hannover, Beschl. v. 25. Mai 2010 - S 34 SF 26/10 E; SG Hildesheim, Beschl. v. 30. Juli 2010 - 12 SF 36/10 E; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 29. Oktober 2009 - L 1 B 6/09 AS).
Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift findet die Anrechnung auch im sozialgerichtlichen Verfahren statt. Der eindeutige Wortlaut lässt insoweit keine Auslegung zu. Es ist auch nicht zu begründen, dass der Gesetzgeber auf Grund eines offenbaren Versehens die Anrechnungsvorschrift bei der Beratungshilfe nicht auch auf die sozialrechtlichen Gebühren abgestimmt hat. Wenn eine Abstimmung lediglich auf Grund eines Versehens des Gesetzgebers unterblieben wäre, so hätte der Gesetzgeber die Möglichkeit zu einer entsprechenden Klarstellung gehabt. Eine solche Klarstellung ist bisher weder erfolgt, noch sind der Kammer überhaupt Bestrebungen bekannt, diese Klarstellung herbeizuführen, zumal die Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes in der jüngeren Vergangenheit mehrfach Gegenstand von Gesetzesänderungen gewesen sind.
Eine abweichende Gebührenberechnung kann auch nicht mit der Argumentation begründet werden, dass aufgrund der Regelung der Nr. 3103 VV-RVG eine doppelte Anrechnung der Vorverfahrenstätigkeit erfolgen würde. Für das gerichtliche Verfahren erster Instanz ist gegenüber der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV-RVG eine Verfahrensgebühr mit einem niedrigeren Rahmen für den Fall vorgesehen, dass der Rechtsanwalt bereits im Verwaltungsverfahren oder in dem dem gerichtlichen Verfahren vorausgehenden Vorverfahren tätig geworden ist. Dabei wird berücksichtigt, dass die Tätigkeit in diesen Verwaltungsverfahren die Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren durchaus erleichtert. Daher beträgt der Rahmen der Verfahrensgebühr hier lediglich 20,00 € bis ...