Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung einer allergischen Erkrankung mit Symptomen an der Haut und den Atemwegserkrankungen als Berufskrankheit nach den Nummern 4301 und 5101 der Anlage zur BKV

 

Orientierungssatz

1. Die Höhe der MdE bei einer Hauterkrankung i. S. der Berufskrankheit nach Nr. 5101 BKV richtet sich nach dem Ausmaß der Hauterkrankung nach Aufgabe der Tätigkeit und, sofern eine allergische Ursache besteht, nach der Verbreitung des Allergens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie dem Grad der Sensibilisierung. Sind bei allergischen Erkrankungen im Einzelfall sowohl Haut als auch Atemwege betroffen, so ist eine unterschiedliche Behandlung nicht gerechtfertigt. Infolgedessen sind im konkreten Fall bei beruflichen Hautkrankheiten diese Grundsätze für die Ermittlung der MdE heranzuziehen.

2. Bei Latex handelt es sich um einen im Arbeitsleben sehr weit verbreiteten Arbeitsstoff, der sich in vielen Materialien wiederfindet. Allein aufgrund einer weiten Verbreitung dieses Berufsstoffes sind Auswirkungen der Allergie bereits als mittelgradig einzustufen.

3. Bei dem Kriterium "Auswirkungen der Allergie" ist zusätzlich zu den verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten auch der Grad der Sensibilisierung insgesamt von einer schwerwiegenden Auswirkung der Allergie auszugehen. Das ergibt nach den Gemeinsamen Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Berufsdermatologie der Deutschen Dermatalogischen Gesellschaft und des Hauptverbandes der Gewerblichen Berufsgenossenschaften eine MdE von 20 %.

4. Eine besondere berufliche Betroffenheit ist nur dann anzunehmen, wenn die Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu einer unbilligen Härte führen würde; vgl. BSG, Urteil vom 02. November 1999 - B 2 U 49/98 R.

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 5. Januar 2005 wird abgeändert und der Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2005 aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen eine Rente nach einer MdE i.H.v. 20 % zu gewähren.

3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente aufgrund der bei der Klägerin anerkannten Berufskrankheiten nach den Ziffern 4301 und 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (= BKV).

Die im Jahr 1966 geborene Klägerin absolvierte von 1992 bis 1995 eine Ausbildung zur Altenpflegerin und war in diesem Beruf von 1995 bis zum 15. November 2003 bei unterschiedlichen - von der Stadt Hannover geführten - Altenheimen tätig.

In dem Bericht vom 16. September 1999 führte D. aus, dass bei der Klägerin beim Kontakt mit Latex seit März 1997 Quaddeln an den Händen sowie eine Rhinitis aufgetreten seien. Außerdem würde seit Jahren eine Neurodermitis bestehen (Bl. 1 der Akte des Beklagten ≪= BK-A≪). In der Erklärung vom 20. Oktober 1999 wies die Klägerin außerdem darauf hin, dass sie aufgrund der Latexallergie unter Atemwegsbeschwerden leiden würde. Im Schreiben vom 10. Februar 2000 teilte sie dem Beklagten jedoch zunächst mit, dass der Zustand ihrer Haut gut sei, da ihr von ihrem Arbeitgeber Vinylhandschuhe gestellt worden seien und sie keine Latexhandschuhe mehr benutzen würde.

Mit Schreiben vom Januar 2003 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Wiederaufnahme des Feststellungsverfahrens. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass in ihrem beruflichen Umfeld weiterhin Latexmaterialien verwendet würden und es zu einer Verschlechterung des Hautzustandes und der Lungenfunktion gekommen sei (Bl. 70, 78 BK-A). Am 13. November 2003 hatte die Klägerin im Pflegebereich ihren letzten Arbeitstag und wurde mit Wirkung zum 15. November 2003 in die Telefonzentrale des Rathauses versetzt, wo kein Kontakt mit Latexmaterialien besteht (Bl. 97, 245 BK-A). Unter dem 9. April 2004 erstattete D. ein dermatologisch-allergologisches Gutachten. Darin gelangte er zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin eine beruflich verursachte Soforttyp-Allergie gegenüber Latex mit einer Rhinitis, einer Konjunktivitis, einem Asthma und einer Kontakturtikaria" vorliegen würde. Die Schwere der Kontakturtikaria würde sich aus der ausgeprägten Latexallergie ergeben. Die Hauterkrankung sei darüber hinaus auch wiederholt rückfällig gewesen. Die Latexallergie habe auch die Aufgabe der Tätigkeit als Altenpflegerin erzwungen. Die berufskrankheitenbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (= MdE) würde 10 % betragen (Bl. 136 ff. BK-A). Darüber hinaus erstattete E. unter dem 21. Oktober 2004 ein internistisch-allergologisches Gutachten. Er gelangte zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin "ein allergisches Asthma bronchiale und eine allergische Rhinopathie bei Typ-I-Sensibilisierung gegenüber Latex" vorliegen würde. Die daraus resultierenden Erkrankungsfolgen seien jedoch gering und würden sich im Wesentlichen auf eine unspezifische bronchiale Reizbarkeitssteigerung beschränken. Die MdE sei in Bezug auf die Atemwegserkrankung mit 10 % einzuschätzen. Die Gesamt-MdE würde auch im Zusammenhang mit ...

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