Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosenhilfe. Rückforderung zu unrecht gewährter Leistungen aufgrund fehlender Arbeitslosigkeit. Arbeitsbereitschaft eines Kfz-Meisters während der Öffnungszeiten des Betriebes. Verletzung von Mitteilungspflichten

 

Orientierungssatz

1. Ob eine kurzzeitige Beschäftigung im Sinne der §§ 198 S. 2 Nr. 1, 118 Abs. 1 S. 1 SGB III, 118 Abs. 2 a.F. vorliegt, ist anhand einer vorausschauenden Betrachtungsweise zu bewerten, wobei es auf die Umstände bei Beginn der Beschäftigung ankommt. Dabei ist auf den Arbeitsvertrag und die bisherige Übung abzustellen. Ändern sich die Arbeitszeiten nach Abschluss des Arbeitsvertrages, ist eine stillschweigende Änderung der Vereinbarung über die Beschäftigungszeit zu prüfen.

2. Bei der Beurteilung der Frage der Kurzzeitigkeit ist maßgeblich auf die Beschäftigungswoche und nicht die Kalenderwoche abzustellen. Irrelevant ist in diesem Kontext, ob die Beschäftigung entgeltlich war oder dabei Umsätze erzielt wurden, weil der Rechtsbegriff der Arbeitslosigkeit nicht daran gekoppelt ist.

3. Zur Arbeitszeit gehören auch Zeiten der Arbeitsbereitschaft. Diese ist vom Bereitschaftsdienst und der Rufbereitschaft abzugrenzen. Unter Arbeitsbereitschaft ist die Zeit wacher Achtsamkeit im Zustand der Entspannung zu verstehen. Sie setzt eine gewisse, wenn auch im Zustand der Entspannung geleistete Arbeit voraus. Im Rahmen der Rufbereitschaft steht der Arbeitnehmer dagegen dem Arbeitgeber an einem selbst bestimmten Ort, welchen er dem Arbeitgeber mitteilt, auf Abruf bereit. Dies ist nicht als Arbeitszeit zu werten. Bereitschaftsdienst kennzeichnet sich dadurch, dass der Arbeitnehmer sich an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebes aufzuhalten hat, um seine Arbeit aufzunehmen, sobald es notwendig ist, ohne sich bis dahin im Zustand wacher Achtsamkeit zu befinden.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung und Erstattungsforderung gewährter Arbeitslosenhilfe zuzüglich Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 9.468,34 Euro für die Zeit vom 15. Februar bis 23. Dezember 2003.

Der H. geborene Kläger war bis März 1999 Inhaber einer Kfz-Werkstatt. Nach Betriebsaufgabe nahm er eine Tätigkeit bei der Firma I. (J.) auf, einer Kfz-Reparaturwerkstatt mit Sitz in der K. in L.. Bis Januar 2002 war er in Vollzeit beschäftigt und erhielt monatlich 1.686,85 Euro brutto (Arbeitsvertrag vom 24. März 1999; Bl. 138 bis 139 der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte). Dabei war er einziger gemeldeter Vollzeitarbeitnehmer und als Kfz-Meister Betriebsleiter. Der Schwager, Herr M. N., ist Geschäftsführer und Gesellschafter der Firma. Dieser arbeitete gleichzeitig Vollzeit bei der Firma O. als Finanzmanager. Der Kläger wohnt auf dem Betriebsgrundstück. Es sind Öffnungszeiten von wochentags von 9.00 bis 17.00 Uhr ausgewiesen. Im Jahre 2003 waren zwei Praktikanten unentgeltlich beschäftigt. Wöchentlich fanden Abnahmen des TÜV oder der DEKRA statt. Der Betrieb ist mit dem Kläger als Meister in die Handwerksrolle eingetragen.

Der Kläger meldete sich im Januar 2002 arbeitslos und meldete gleichzeitig eine geringfügige Beschäftigung bei der bisherigen Arbeitgeberin an. Er bestätigte mit seiner Unterschrift den Erhalt des Merkblattes 1b Arbeitslosenhilfe (Bl. 103 der Rückseite der Verwaltungsakte). In der Folgezeit zeigte er stets Nebenverdienste von weniger als 165,-- Euro im Monat an. Der Geschäftsführer der Firma gab gegenüber der Beklagten jeweils an, dass in jeder Beschäftigungswoche weniger als 15 Stunden gearbeitet worden sei.

Mit Bescheid vom 27. Januar 2003 bewilligte die Beklagte für die Zeit vom 27. Januar bis 31. August 2003 Arbeitslosenhilfe mit einem wöchentlichen Leistungssatz von 181,72 Euro. Mit weiterem Bescheid vom 01. September 2003 bewilligte sie bis zum 31. Dezember 2003 Arbeitslosenhilfe.

Mit Schreiben vom 18. November 2003 (Bl. 166 bis 167 der Verwaltungsakte) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er für die Zeit vom 15. Juni bis 31. Juli 2003 zu Unrecht Arbeitslosenhilfe bezogen habe und beabsichtigt sei, den überzahlten Betrag zurückzufordern.

Nach einem Vermerk vom 22. Dezember 2003 sah die Beklagte von einer Aufhebung und Erstattung zunächst ab, um Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Schadenshöhe abzuwarten (Bl. 171 der Verwaltungsakte). Im August 2006 erhielt die Beklagte den Schlussbericht des Hauptzollamtes.

Die Beklagte hob mit Bescheid vom 23. August 2006 (Bl. 238 bis 239 der Verwaltungsakte) die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 15. Februar bis 23. Dezember 2003 auf und forderte die Erstattung gewährter Arbeitslosenhilfe zuzüglich Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 9.468,34 Euro. Sie begründete dies damit, dass der Kläger zumindest grob fahrlässig die Mitteilungspflichten verletzt habe.

Dagegen legt der Kläger am 03. September 2006 Wider...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge