Entscheidungsstichwort (Thema)
Absenkung der Regelleistung nach dem SGB II (juris: SGB 2) wegen fehlendem Nachweis des Zugangs einer Bewerbung
Orientierungssatz
Der nicht nachgewiesene Zugang einer Bewerbung erfüllt nicht den Tatbestand der "Weigerung", da ein misslungener Zugang auf unterschiedlichen Ursachen beruhen kann, die auch außerhalb des Einflussbereichs des Absenders liegen können.
Tenor
1.) Der Bescheid des Beklagten vom 20.05.2010 und der Widerspruchsbescheid vom 31.05.2010 werden aufgehoben.
2.) Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
3.) Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Sanktion.
Der im Jahr 1982 geborene Kläger bezieht seit mehreren Jahren Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (= SGB II).
Mit dem Eingliederungsverwaltungsakt vom 31.03.2010 wurde dem Kläger u. a. aufgegeben, sich zeitnah, d. h. spätestens am 3. Tag nach Erhalt des Stellenangebots, auf Vermittlungsvorschläge, die er von dem Träger der Grundsicherung erhalten hat, zu bewerben (Bl. 334 der Akte des Beklagten ≪= VA≫). Als Nachweis über die von ihm unternommenen Bemühungen sollte er die dem Vermittlungsvorschlag beigefügte Antwortmöglichkeit ausfüllen und dem Grundsicherungsträger vorlegen. Es wurde insbesondere festgestellt, dass er sich auf die - konkret ausgehändigten - Vermittlungsvorschläge (hinsichtlich der Firmen) “F.„ und “G.„ bewerben und das Ergebnis bis zum 07.04.2010 mitteilen sollte. Die Rechtsfolgenbelehrung enthielt u. a. folgenden Hinweis:
Wenn Sie erstmals gegen die mit Ihnen vereinbarten Eingliederungsbemühungen verstoßen (siehe Nr. 2 Bemühungen), wird das Ihnen zustehende Arbeitslosengeld II um einen Betrag i. H. v. 30 % der für Sie maßgebenden Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II abgesenkt.
Gegen den Eingliederungsverwaltungsakt vom 31.03.2010 erhob der Kläger am 06.04.2010 Widerspruch (Bl. 343 VA), der mit dem Widerspruchsbescheid vom 06.05.2010 zurückgewiesen wurde (Bl. 348 VA).
Ebenfalls mit Datum vom 31.03.2010 wurden dem Kläger Vermittlungsvorschläge als Fleischwarenmacherhelfer der Fa. "H. " (im Folgenden: I.) sowie als Produktionshelfer bei der Fa. "J.„ unterbreitet (Bl. 4, 5 der Akte des Sozialgerichts ≪= SG≫).
Mit dem Schreiben vom 05.04.2010 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass er sich am 31.03.2010 bei den genannten Firmen beworben, jedoch noch keine Antwort erhalten habe (Bl. 363, 364 VA).
Mit dem Bescheid vom 09.04.2010 gewährte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.05.2010 bis zum 31.10.2010 eine monatliche Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 359,00 € (Bl. 3 SG-Akte).
Mit dem Anhörungsschreiben vom 20.04.2010 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, das Arbeitslosengeld II nach § 31 SGB II abzusenken. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass er trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die in der am 31.03.2010 abgeschlossenen Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten nicht erfüllt habe. Nach Rücksprache mit Herrn K. von der I. habe sich der Kläger nicht wie mitgeteilt dort am 31.03.2010 beworben (Bl. 361 VA).
Mit dem Schreiben vom 27.04.2010 machte der Kläger geltend, dass er sich sofort am 31.03.2010 schriftlich und postalisch bei beiden Unternehmen beworben habe und er damit seinen Verpflichtungen nachgekommen sei. Die Bewerbungsschreiben fügte er bei (Bl. 352 ff. VA). Das Schreiben vom 27.04.2010 wurde vom Beklagten als förmlicher Widerspruch gegen das Anhörungsschreiben vom 20.04.2010 gewertet, der mit dem Widerspruchsbescheid vom 06.05.2010 als unzulässig zurückgewiesen wurde.
Mit dem Bescheid vom 20.05.2010 hob der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 09.04.2010 gemäß § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (= SGB X) auf und senkte das Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.06.2010 bis zum 31.08.2010 monatlich um 30 % der maßgeblichen Regelleistung ab. Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, dass er am 28.04.2010 um 11.41 Uhr von einem Mitarbeiter der I. einen Anruf erhalten habe. Zum Beleg hierfür legte der Kläger ein Foto der Anrufliste des bei dem Gespräch von ihm verwendeten Handys bei (Bl. 378, 379 VA).
Im Telefonat vom 31.05.2010 teilte Herr L. von der I. dem Beklagten mit, dass kein Bewerbungsschreiben des Klägers dort eingegangen sei. Da jedoch Arbeitskräfte dringend gesucht worden seien, habe er sich bei der Job-Börse der Agentur für Arbeit informiert, welche Bewerber vorgeschlagen worden seien. Dort habe er auch die Telefonnummer des Klägers in Erfahrung gebracht. Sein Versuch, den Kläger telefonisch zu erreichen, sei jedoch erfolglos geblieben. Außerdem habe sich der Kläger weder telefonisch noch in anderer Form mit der I. in Verbindung gesetzt. Somit sei auch auf den Anruf keine Reaktion erfolgt. Der Widerspruch wurde mit dem Widerspruchsbescheid vom 31.05.2010 zurückgewiesen. Darin wurde ergänzend ausgeführt, dass der Kläger nicht habe nachweisen können, dass er sich be...