Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Zulässigkeit der Anrechnung von Elterngeld als Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft
Orientierungssatz
Jedenfalls seit dem 01.01.2011 ist das von nicht erwerbstätigen Eltern tatsächlich bezogene Elterngeld im Rahmen der Ermittlung eines Hilfebedarfs für Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende als Einkommen zu berücksichtigen. Die Berücksichtigung ist auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, stellt insbesondere keine unzulässige Ungleichbehandlung dar.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Kläger begehren die Gewährung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) - Grundsicherung für Arbeitssuchende - für den Bewilligungszeitraum Januar bis Juni 2011.
Der 1959 geborene Kläger zu 1. lebt zusammen mit seiner Partnerin, der 1968 geborenen Klägerin zu 2., sowie den 2003, 2001 und 2010 geborenen Kindern, den Klägern zu 3. - 5., in einer Bedarfsgemeinschaft.
Nach der Geburt der Klägerin zu 5. am 13.6.2010 bewilligte die Stadt Celle dem Kläger zu 1. auf seinen Antrag hin mit Bescheid vom 30.6.2010 Elterngeld nach dem Bundeselterngeldgesetz (BEEG) für die Zeit vom 13.6.2010 bis zum 12.5.2011 in einer monatlichen Höhe von 300 €. Dieses rechnete der Beklagte im damals laufenden Bewilligungsabschnitt zunächst nicht bedarfsmindernd bei der Gewährung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes an.
Mit Bescheid vom 7.12.2010 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den neuen Bewilligungsabschnitt Januar bis Juni 2011. Hierbei rechnete er erstmals das monatliche Elterngeld in Höhe von 300 € auf die Leistungen an und zog hiervon die Versicherungspauschale in Höhe von 30 € ab, so dass ein bedarfsminderndes Einkommen in Höhe von 270 € monatlich verblieb. Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, dass das der Bedarfsgemeinschaft zufließende Elterngeld nach einer geplanten Gesetzesänderung ab dem 1.1.2011 in vollem Umfang anzurechnen sei.
Die Kläger legten am 4.1.2011 Widerspruch ein. Diesen begründeten sie damit, dass hinsichtlich des bis April 2011 bewilligten Elterngeldes Bestandsschutz bestehe. Es sei nicht richtig, die Elterngeldbewilligung über den Weg einer Anrechnung auf die Leistungen nach dem SGB II zu unterlaufen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6.1.2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Aus dem Haushaltsbegleitgesetz 2011, welches am 14.12.2010 verkündet worden sei, ergebe sich, dass das Elterngeld ein Einkommen beim Bezug von Leistungen nach dem SGB II anzurechnen sei.
Die Kläger haben am 5.2.2011 Klage erhoben.
Sie tragen vor, dass die Anrechnung des Elterngeldes auf die Leistungen nach dem SGB II ab dem 1.1.2011 praktisch eine Aufhebung der Elterngeldbewilligung darstelle. Insofern bestehe jedoch ein Bestandsschutz. Jedenfalls bestünden verfassungsrechtliche Bedenken, soweit nunmehr gesetzlich eine Anrechnung vorgesehen sei. Das Elterngeld stelle seiner Natur nach keine Lohnersatzleistung dar und verfolge auch nicht den Zweck, zur Sicherung des Lebensunterhaltes beizutragen. Es liege ein Gleichheitsverstoß vor, wenn “Hartz-IV-Eltern„ anders behandelt würden als Eltern, die keine oder andere Transferleistungen erhalten würden.
Die Kläger haben schriftsätzlich beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 7.12.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.1.2011 zu verurteilen, den Klägern die ihnen nach dem SGB II zustehenden Leistungen zu gewähren;
hilfsweise,
das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung der Vereinbarkeit der einschlägigen Gesetzesgrundlagen mit dem Grundgesetz, insbesondere mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG sowie dem Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG vorzulegen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist zur Rechtsverteidigung auf die angegriffenen Bescheide und trägt ergänzend vor, dass das Elterngeld als staatliche Lohnersatzleistung für die ersten 14 Lebensmonate nach der Geburt eines Kindes ausgestaltet sei. Zweck des Elterngeldes sei die Abfederung des aufgrund der Elternzeit wegfallenden Erwerbseinkommens. Dieser Zweck könne im Falle der Kläger nicht erreicht werden, da diese vor Bezug des Elterngeldes keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen seien. Das Elterngeld sei nach der gesetzlichen Neuregelung wie jede andere Einnahme in Geld auf den Leistungsanspruch anzurechnen. Auch ein Verstoß gegen Art. 3 GG sei nicht ersichtlich, es liege keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vor. Soweit die Anrechnung des Elterngeldes dazu führe, dass elterngeldberechtigte Personen im Leistungsbezug nach dem SGB II tatsächlich nicht mehr Geld zur Verfügung hätten als vor dem Bezug des Elterngeldes, sei rechtfertigender Grund hierfür der Grundsatz der Subsidiarität der Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und ...