Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Wegfall der Anrechnungsfreiheit für das Mindestelterngeld ab 1.1.2011. Verfassungsmäßigkeit. sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung
Leitsatz (amtlich)
Die zum 1.1.2011 eingeführte Anrechnung von bezogenem Mindestelterngeld bis 300 Euro auf Leistungen nach dem SGB 2 ist für Leistungsbezieher, die vor und neben dem Elterngeldbezug keine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben oder ausüben, verfassungsrechtlich unbedenklich.
Tenor
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 17. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2011 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten streitig ist die Anrechnung von bezogenem Elterngeld auf die mit Bescheid vom 17.06.2011 gewährten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) im Zeitraum vom Juni bis September 2011.
Die 1981 geborene Klägerin zu 1 hatte am 31.05.2011 nach Zuzug in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten für sich und den Kläger zu 2, ihren am 2010 geborenen Sohn, Leistungen nach dem SGB II beantragt.
Den Antragsunterlagen beigefügt war u.a. eine Abschrift des Bescheides der Stadtverwaltung Duisburg vom 08.12.2010, mit welchem der Klägerin zu 1 für die Zeit vom 01.11.2010 bis 31.10. 2011 Elterngeld von monatlich 300,00 € bewilligt worden war. Dabei erfolgten die monatlichen Zahlungen des Elterngeldes jeweils im vorausgehenden Monat.
Mit Bescheid vom 17.06.2011 bewilligte die Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01.06.2011 bis 30.11. 2011 Leistungen nach dem SGB II (Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und der Kosten der Unterkunft, KdU), wobei in den Monaten Juni bis September 2011 das bis Oktober 2011 zu beziehende Elterngeld in Höhe von jeweils 270,00 € bedarfsmindernd als Einkommen auf die SGB-II-Leistungen angerechnet wurde.
Hiergegen wurde durch den für das Widerspruchverfahren beauftragten Bevollmächtigten am 20.07.2011 Widerspruch erhoben.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Anrechnung von Elterngeld auf die SGB-II-Leistung aufgrund der zum 01.01.2011 eingeführten Regelung des § 10 Abs. 5 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoße.
Zweck des Elterngeldes sei entsprechend der jeweiligen Gesetzesbegründung zur Einführung des Elterngeldes die Anerkennung der Erziehungs- und Betreuungsleistung der Eltern, welche auch der Gemeinschaft zugute komme. Es handele sich nach der Ausgestaltung des Elterngeldes nicht um eine Entgeltersatzleistung. Stattdessen solle mit dem Elterngeld ein gewisser finanzieller Schonraum geschaffen werden, um es den Eltern zu erleichtern, sich ohne größere finanzielle Nöte ihren Kindern widmen zu können. Dies werde insbesondere durch den Mindestbetrag von 300,00 €, der grundsätzlich allen Eltern zustehe, belegt.
Die durch § 10 Abs. 5 BEEG geschaffene Sonderregelung der Anrechnung für die Beziehung von Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII sowie für den Kinderzuschlag nach § 6 a Bundeskindergeldgesetz (BKGG) verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil es keinen rechtfertigenden Grund dafür gebe, die Bezieher entsprechender Leistungen darin schlechter zu stellen, dass diese das bezogene Elterngeld infolge der Anrechnung auf den Lebensunterhalt zu verwenden hätten, wogegen die Bezieher anderer einkommensabhängiger Sozialleistungen (BAföG, Wohngeld, Kriegsopferfürsorge) dagegen in den tatsächlichen zusätzlichen Genuss von 300,00 € Elterngeld kämen.
Zwischen den genannten Personengruppen bestünden keine schwerwiegenden Unterschiede, die die Ungleichbehandlung im Sinne der Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) rechtfertigen könnten. Die Begründung des Gesetzgebers für die Aufhebung der Anrechnungsfreiheit des Elterngeldes als Sonderregelung für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und nach § 6 a BKGG sei insoweit nicht überzeugend. Es sei nicht mit dem Sozialstaatsprinzip vereinbar, wenn gerade bedürftigen Eltern der finanzielle Schonraum für die Kinderbetreuung verweigert werde. Die Differenzierung mache deutlich, dass der Gesetzgeber hier unter Verletzung von Grundrechten Eltern und ihre Kinder unterschiedlich bewerte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2011 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Der Bescheid vom 17.06.2011 entspreche der geltenden Rechtslage.
Hiergegen erhoben die Kläger am 29.09.2011 Klage zum Sozialgericht Augsburg und beantragten die Beiordnung des im Widerspruchsverfahren tätig gewordenen Anwalts im Wege der Prozesskostenhilfe (PKH).
Mit Beschluss vom 18.11. 2011 lehnte das Gericht den Antrag auf PKH ab, da es keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der erfolgten Anrechnung, insbesondere keine Verfassungswidrigkeit der von der Beklagten angewandten streitentscheidenden Regelung erkannte.
In der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2011 beantrag...