Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Abwrackprämie. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Die staatliche Abwrackprämie ist kein anrechenbares Einkommen.
2. Die Abwrackprämie ist der Eigenheimzulage vergleichbar.
3. Die Abwrackprämie ist zweckbestimmtes und anrechnungsfreies Einkommen, denn sie ist zum Zweck des Erwerbs eines Neufahrzeuges bestimmt.
Orientierungssatz
Wird die Abwrackprämie bei Leistungsempfängern des SGB 2 als zu berücksichtigendes Einkommen angesehen, während nicht im Leistungsbezug Stehende diese Prämie vom Staat als "Geschenk" erhalten, ohne hierfür Einkommensteuer zahlen zu müssen, stellt dies einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG dar.
Tenor
Die Antragsgegnerin wird vorläufig verpflichtet, der Antragstellerin Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu zahlen.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin steht bei der Antragsgegnerin seit 2005 im Leistungsbezug.
Mit Bescheid vom 31.3.2009 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1.4.2009 bis 30.9.2009 in Höhe von € 467,77 für den Monat April 2009 sowie wegen gestiegener Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von e 470,27 für den restlichen Zeitraum.
Die Antragstellerin hatte zuvor am 12.2.2009 ein Kraftfahrzeug der Marke Fiat Punto gekauft und hierfür die sogenannte Abwrackprämie in Höhe von € 2.500,00 in Anspruch genommen. Dementsprechend hat sie ein Altfahrzeug zur Verschrottung gegeben.
Die Antragsgegnerin bewertet die Abwrackprämie als einmaliges Einkommen und verrechnet diese nach Einkommensbereinigung in dem o.a. Bescheid für den Zeitraum vom 1.3.2009 bis 28.2.2010 in Höhe von monatlich € 206,73.
Gegen den Bescheid vom 31.3.2009 hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 1.4.2009 Widerspruch eingelegt. Über diesen ist noch nicht entschieden. Mit Schriftsatz vom 3.4.2009, eingegangen am 6.4.2009, hat die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
Zur Begründung hat sie angegeben, sie erhalte von der Antragsgegnerin derzeit monatlich lediglich € 467,77 sowie ein monatliches Kindergeld für ihren Sohn Joshua Ken in Höhe von € 164,00 sowie einen Unterhaltsvorschuss des Jugendamtes des Landkreises Harz von € 117,00.
Allein für ihre Wohnung habe sie monatlich € 400,10 Mietzins sowie € 55,00 Heizkosten zu zahlen. Daneben fielen Kosten für Essensgeld ihres Sohnes in der Kinderkrippe in Höhe von € 38,00, Stromkosten von € 60,00 sowie Ratenkreditkosten in Höhe von € 103,00 an.
Diese Kosten könne sie von ihrem Einkommen von etwa € 740,00 zwar decken; ihren Lebensunterhalt sowie den ihres Sohnes könne sie nicht mehr bestreiten.
Aus diesem Grund rechtfertige sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Darüber hinaus vertritt sie die Auffassung, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten. Die staatliche Abwrackprämie sei zweckgebundenes Einkommen, welches bei der Berechnung des Bedarfs nicht als Einkommen berücksichtigt werden dürfe.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, der Antragstellerin Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu zahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurück zu weisen.
Sie vertritt die Ansicht, der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die staatliche Abwrackprämie sei als einmaliges Einkommen - entsprechend zum Beispiel einer Einkommenssteuerrückerstattung - auf die Regelleistung anzurechnen und auf einen angemessenen Zeitraum zu verteilen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte ergänzend verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.
Der Antrag ist zulässig. Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Nach § 86b Abs. 3 SGG ist der Antrag schon vor Klageerhebung zulässig. Eine solche Regelungsanordnung begehrt die Antragstellerin, soweit sie von der Antragsgegnerin (abgelehnte) weitere Leistungen erhalten möchten.
Der Antrag ist begründet. Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen hier vor. Eine Regelungsanordn...