Nachgehend

BSG (Beschluss vom 31.08.2021; Aktenzeichen B 4 AS 204/21 B)

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Klage in dem Verfahren S 21 AS 1305/14 durch fingierte Klagerücknahme beendet ist.

2. Kosten sind nicht erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendete sich ursprünglich (S 21 AS 1305/14) gegen den Bescheid des Beklagten vom 17.3.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.4.2014, mit welchem der Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X betreffend den Bescheid vom 18.1.2012 (Leistungszeitraum Januar 2012 bis Juni 2012) abschlägig beschieden wurde.

Nunmehr steht im Streit, ob die Klage gemäß § 102 Abs. 2 SGG als zurückgenommen gilt.

Mit am 28. April 2014 beim Sozialgericht Magdeburg eingegangenem Schreiben hat der Klägervertreter der Klägerin Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 17.3.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.4.2014 unter Angabe des Aktenzeichens des Beklagten erhoben.

Eine weitere Reaktion, Einlassung, Begründung oder Konkretisierung des Klageantrages ist, trotz mehrfacher Aufforderung seitens des Gerichts, nicht erfolgt.

Das Gericht hat den Klägervertreter am 13. Mai 2014 aufgefordert, die Klage innerhalb von 8 Wochen zu begründen. Am 24. Februar 2015 hat das Gericht an die Übersendung der Klagebegründung erinnert und eine weitere Frist zur Erledigung von 8 Wochen gesetzt.

Unter dem 27. Mai 2015 hat das Gericht den Klägervertreter nochmals an die Übersendung der Klagebegründung erinnert.

Die Fristen verstrichen fruchtlos; eine Reaktion ist nicht erfolgt.

Am 10. März 2016 stellte das Gericht dem Klägervertreter eine Betreibensaufforderung unter Hinweis auf § 102 Abs. 2 SGB II mittels Postzustellungsurkunde zu.

Sie enthielt den Hinweis, dass die Klage als zurückgenommen gilt, wenn das Verfahren nicht innerhalb von 3 Monaten betrieben wird. Da bis dato keine einzige Reaktion festgestellt werden konnte, teilte das Gericht dem Klägervertreter am 13. Juni 2016 mit, dass die Klage am 13. Juni 2016 durch Rücknahme beendet worden ist.

Daraufhin beantragte der Klägervertreter am 21.06.2016, das Verfahren fortzuführen.

Als einzige Mitteilung zur Sache teilte er mit, dass er sich auf die Widerspruchsbegründung beziehe.

Die gerichtliche Aufforderung, diese vorzulegen und den Wiederaufnahmeantrag zu begründen, blieb bis heute reaktionslos.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

1. festzustellen, dass die Sache nicht erledigt ist und

2. den Bescheid des Beklagten vom 17.3.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.4.2014 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 18.1.2012 zu verurteilen, Leistungen in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Der vorliegende Rechtsstreit kann durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetzt entschieden werden.

Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf, der Sachverhalt ist geklärt. Die Beteiligten wurden hierzu gehört.

Die Klage gilt gemäß § 102 Abs. 2 SGG als zurückgenommen.

In der Sache ist daher nicht zu entscheiden.

Nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG gilt die Klage als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als 3 Monate nicht betreibt.

Gemäß § 102 Abs. 2 Satz 3 SGG ist der Kläger auf die eintretenden Rechtsfolgen hinzuweisen.

Die Rechtsmäßigkeit der Betreibensaufforderung ist hierbei Voraussetzung für die Wirksamkeit der Rücknahmefiktion. Das ist hier der Fall.

Die Vorrausetzungen für den Erlass einer Betreibensaufforderung lagen vor.

Insbesondere lagen sachlich begründete Anhaltspunkte, die den späteren Eintritt der Fiktion auch im Lichte der Rechtsschutzgarantie aus Artikel 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes als gerechtfertigt erscheinen lassen vor.

Denn eine Rücknahmefiktion erfordert als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, dass nach dem prozessualen Verhalten des Klägers hinreichender Anlass bestand, von einem Wegfall des Rechtsschutzinteresses auszugehen (vergl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1998 - 2BvR 2662/95 und vom 17. September 2012 -1BvR 2254/11).

Zum Zeitpunkt des Erlasses der Betreibensaufforderung bestanden begründete Anhaltspunkte, dass das Rechtsschutzinteresse der Klägerin nicht mehr bestand.

Die Klägerin bzw. deren Prozessbevollmächtigter hatte während des gesamten Klageverfahrens die prozessleitenden Verfügungen unbeachtet gelassen, Fristen fruchtlos verstreichen lassen und hierauf nie reagiert (vergl. dazu Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, juris PK-SGG, 1. Auflage 2017, § 102 Rdnr. Nr. 60 ff.)

Die Betreibensaufforderung erging auch formell ordnungsgemäß.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin wurde im Schreiben vom 2. März 2016, nachgewiesener Zugang am 10. März 2016, klar und eindeutig zur Begründung der Klage aufgefordert. Dabei wurde er, unmissverständlich auf die Folgen eines Nichtbetreibens hingewiesen. Die Betreibensaufforde...

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