Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Rente wegen Erwerbsminderung. Aussagekraft eines ärztlichen Gutachtens bei kurzer Untersuchungsdauer
Orientierungssatz
1. Allein der Umstand, dass ein medizinischer Gutachter bereits nach einer nur wenige Minuten dauernden Untersuchung eine fachliche Einschätzung zum Gesundheitszustand abgeben und eine für eine Erwerbsminderung relevante Leistungsminderung verneinen konnte, spricht nicht gegen die Richtigkeit der ärztlichen Feststellung.
2. Einzelfall zur Beurteilung des Vorliegens einer Leistungsminderung, die einen Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente rechtfertigt (hier: Leistungsminderung bei orthopädischen Leiden verneint).
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligen haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der am ... 1968 geborene Kläger beantragte am 23. Mai 2012 bei der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsminderung mit der Begründung, dass er seit der Geburt einen Knick in der Wirbelsäule habe, unter Kniescheibenproblemen im rechten Knie, einer neurologischen Störung und einem herabgesetzten geistigen Leistungsvermögen leide. Er könne aufgrund dessen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine Arbeiten mehr verrichten.
Die Beklagte zog medizinische Unterlagen bei.
Ein undatierter allgemeinmedizinischer Befundbericht mit Eingang am 09. Juli 2012 von Frau Dr. med. D. S. teilt als Diagnosen eine Intelligenzminderung mit Somatisierungsstörung, eine Anpassungsstörung, muskuläre Dysbalancen, Gonalgie beidseits mit leichtgradiger Kontraktur (Bewegungseinschränkung) mit. Der Kläger habe über Schmerzen im rechten Kniegelenk und Rückenschmerzen berichtet. Es lägen eine funktionelle Störung des rechten Kniegelenkes bei beginnender Chondropatia patellae (degenerative Veränderungen am Kniescheibenknorpel) und muskuläre Dysbalancen im rechten Bein einschließlich Muskelathrophie mit Umfangsdrift, eine gestörte Persönlichkeitsstruktur - klagsam, hypochondrisch, stimmungslabil, verlangsamtes Auffassungsvermögen - mit Einschränkungen der Belastbarkeit im täglichen Leben vor. Der Kläger sei zurzeit nicht arbeitsunfähig, es gebe keine Befundänderung in den letzten 12 Monaten, Reisefähigkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder privatem PKW sei gegeben.
Ein orthopädisch-rheumatologischer Befundbericht vom 03. Juli 2012 von Herrn Dr. med. J. teilt ohne Diagnosestellung mit, der Kläger habe über seit fünf Tagen bestehende Schmerzen im rechten Knie ohne Angabe eines Traumas oder eines Sturzes berichtet. Es seien keine Überwärmung, keine Schwellung, keine Bewegungseinschränkungen, sondern eher Hypermobilität mit seitengleicher Überstreckbarkeit gegeben. Sonographisch sei kein Erguss nachweisbar. Weitere Konsequenzen ergäben sich aus orthopädischer Sicht nicht.
Ein orthopädisches Gutachten vom 20. März 2013 von Herrn Dr. med. C. P. teilt als Diagnose funktionelle Gonalgie rechts bei Hypermobilität mit. Der Kläger habe über seit 1992 rezidivierend auftretende Schmerzen im rechten Kniegelenk berichtet. Es sei seinerzeit zu einer Patellaluxation (herausgesprungene Kniescheibe) gekommen. Weitere Beschwerden habe er nicht angegeben. Eine orthopädisch relevante Behandlung erfolge nicht. In der Untersuchung sei der Gang ohne Hilfsmittel und Unterstützung flüssig mit gleichmäßiger Belastung beider Beine und rascher Schrittfrequenz, der Stand sicher gewesen. Bis auf eine Insuffizienz der Seitenbänder des rechten Kniegelenks hätten sich keine weitergehenden pathologischen Abweichungen bzw. Funktionseinschränkungen ergeben. Der neurologische Befund sei regelrecht, es liege eine intellektuelle Minderbefähigung vor. Im Ergebnis sei der Kläger ohne weitere Einschränkungen vollschichtig leistungsfähig für körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten zeitweise im Gehen, zeitweise im Stehen und zeitweise im Sitzen. Auch seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Produktionsmitarbeiter sei sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Wegefähigkeit sei gegeben.
Mit Bescheid vom 25. April 2013 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, dass die medizinischen Voraussetzungen nicht vorlägen. Er sei noch in der Lage, sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein.
Hiergegen legte der Kläger mit E-Mail vom 29. April 2013 Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass der Gutachter ihn nicht untersucht, sondern nur angeguckt habe. Er habe sich geweigert, seine Unterlagen anzuschauen und die Zeit in dem Behandlungsraum habe nicht einmal drei Minuten gedauert.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2013 zurück und hielt an ihrer Einschätzung fest, dass der Kläger unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig erwerbsfähig sei. Zumutbar seien leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten mit weiteren Funktionseinschränkungen. Eine Rente wegen teilweiser ...