Entscheidungsstichwort (Thema)
strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz. Hinterbliebenenversorgung. Antrag beim unzuständigen Leistungsträger. Landesministerium. Leistungsbeginn
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Ministerium des Landes Sachsen-Anhalt ist ein Leistungsträger iS des Sozialgesetzbuches, weil das Land überörtlicher Träger der Sozialhilfe ist (§§ 12 S 1, 28 Abs 2 SGB 1).
2. Die Ministerien des Landes Sachsen-Anhalt sind verpflichtet, Anträge auf Sozialleistungen iS des SGB anzunehmen (§ 16 Abs 1 S 2 SGB 1).
3. Die Ministerien des Landes Sachsen-Anhalt sind verpflichtet, einen Antrag auf Sozialleistung iS des SGB an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten, wenn sie selbst nicht zuständig sind (§ 16 Abs 2 S 1 SGB 1).
4. Kommt es für die Gewährung einer Sozialleistung auf den Zeitpunkt der Antragstellung an, ist der Tag für die Anspruchsbeurteilung heranzuziehen, an dem der Leistungsantrag bei einem unzuständigen Ministerium eingegangen ist (§ 16 Abs 2 S 2 SGB 1).
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Beginn einer Witwenrente nach dem Gesetz über die Rehabilitation und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz -- StrRehaG) (i. d. F. d. G. v. 17.12.1999, BGBl. I S. 2665).
Die Klägerin ist die Witwe des am ... 1910 geborenen und am ... 1984 verstorbenen ... (im Folgenden: der Beschädigte).
Der Beschädigte sollte am ... 1971 in Untersuchungshaft genommen werden. Er erlitt jedoch bei der Festnahme Herzbeschwerden und wurde zunächst in ein Haftkrankenhaus verbracht. Nach Verlegung in die Untersuchungshaft wurde er am 1971 entlassen. Dem Beschädigten war auf Betreiben des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR ein "Verstoß gegen Preisvorschriften und Betruges zu Lasten sozialistischen Eigentums" vorgeworfen worden. Das Kreisgericht ... verurteilte ihn zu drei Jahren Freiheitsstrafe. In der Berufungsinstanz änderte das Bezirksgericht ... das Urteil in eine einjährige Freiheitsstrafe und Geldstrafe ab. Nachträglich wurde die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Der Beschädigte wurde auch lange Jahre nach der Verhaftung durch den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR observiert.
Mit Schreiben vom 27. Dezember 1992 beantragte die Klägerin beim Justizministerium des Landes Sachsen-Anhalt Entschädigung für die Verhaftung des Beschädigten. Das Justizministerium wies in seinem Schreiben vom 14. Januar 1993 darauf hin, dass eine Entschädigung erst nach Rehabilitierung des Beschädigten möglich sei. Diese beantragte die Klägerin am 18. Februar 1993 beim Bezirksgericht (Landgericht) ... das die Strafurteile mit Beschluß vom 14. Juli 1995 aufhob (23 Reh 2223/92) und für rechtsstaatswidrig erklärte.
Anschließend beantragte die Klägerin am 25. September 1995 beim Amt für Versorgung und Soziales (AfVuS) Halle Leistungen nach dem StrRehaG. Das Amt wies darauf hin, dass der Antrag, soweit er eine Hinterbliebenenversorgung betreffe, an das örtlich zuständige AfVuS Magdeburg weitergeleitet werde (Schreiben vom 30. Januar 1996). Mit Schreiben vom 20. Mai 1996 erinnerte die Klägerin beim AfVuS Magdeburg an ihren Antrag und überreichte eine Ablichtung ihres Antrages aus Halle, der mit dem Eingangsstempel des dortigen Amtes versehen war. Das AfVuS Magdeburg wertete das Schreiben vom 20. Mai 1996 als neuen Antrag und bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 22. Juli 1998 ab 1. Mai 1996 eine Witwenrente. Dagegen widersprach die Klägerin noch im selben Monat und begehrte die Zahlung der Witwenrente ab 1992. Sie trug vor, dass sie sich schon im Dezember 1992 hilfesuchend an das Justizministerium gewandt habe und auf dessen Hinweis zunächst die Rehabilitierung in Gang gesetzt habe. Diese habe sich jedoch über Jahre verzögert, worauf sie keinen Einfluß gehabt habe. Insoweit dadurch Fristen abgelaufen seien, dürfe dies nicht zu ihren Lasten gehen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. November 1998 wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, er könne die Leistung erst ab dem Antragsmonat gewähren. Die Anfrage beim Justizministerium werte er nicht als Antrag, weil das Ministerium kein Leistungsträger im Sinne des Sozialgesetzbuches sei. Im Übrigen sei es der Klägerin freigestellt gewesen, parallel zum Rehabilitierungsantrag innerhalb der vom Einigungsvertrag vorgegebenen Frist einen Leistungsantrag zu stellen. Die lange Bearbeitungsdauer des Rehabilitierungsverfahrens sei daher nicht ursächlich für die Fristversäumnis gewesen.
Mit der am 28. Dezember 1998 erhobenen Klage begehrt die Klägerin die rückwirkende Zahlung der Witwenversorgung ab 1. Januar 1991. Sie ist der Ansicht, sie habe schon mit dem Schreiben an das Justizministerium die Leistungen wirksam beantragt.
Im Laufe des Klageverfahrens hat der Beklagte einen Anspruch auf Witwenrente ab 1. September 1995 (Antrag beim AfVuS in Halle) anerkannt und mit Bescheid vom 6. Mai 1999 umgesetzt.
Die Klägerin trägt vor, sie sei davon ausgegangen, dass das Justizministerium zus...