Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Zeitpunkt für Versorgung mit zuzahlungsfreiem Hilfsmittel (hier Hörgerät). Weigerung des Versicherten bzgl Anpassung von mindestens zwei zuzahlungsfreien Hörgeräten. Beweisnot geht zu Lasten des Versicherten
Leitsatz (amtlich)
1. Ob eine Versorgung mit zuzahlungsfreien Hörgeräten möglich ist, ist zum Zeitpunkt der Hörgeräteversorgung abschließend zu klären. Nachträgliche Messungen sind wegen Veränderungen im Hörvermögen in der Regel nicht möglich.
2. Verweigert ein Kläger die Anpassung von mindestens zwei zuzahlungsfreien Hörgeräten und kann der Akustiker daher seine Pflicht aus dem Vertrag der Krankenkasse und der BIHA nicht erfüllen, geht die dadurch entstehende Beweisnot zu Lasten des Klägers.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die über den Festbetrag hinausgehenden Kosten einer Hörgeräteversorgung.
Der Kläger ist bei der Beklagten gegen das Risiko der Krankheit versichert. Er ist seit 1995 auf eine Hörgeräteversorgung angewiesen. Zunächst trug er das von seiner Ehefrau nicht mehr benötigte Hörgerät, bis diesen nicht mehr zur Versorgung ausreichte. Am 24. Juni 2010 verordnete ihm sein HNO-Arzt wegen kombinierter mittelgradiger Schallempfindungsschwerhörigkeit mit SL rechts mehr als links eine beidseitige Hörhilfe. Der Ohrbefund rechts war “Gehörgang normal, Trommelfell intakt„ und links “Gehörgang eng, Trommelfell durchlöchert„. Zu dieser Zeit war er bereits Rentner.
Der Hörgeräteakustiker bot ihm das digitale Phonak audeo Mini III mit Wartungsvertrag für 4.392,80 Euro abzüglich 1.212,80 Euro Zuschuss der Beklagten an. Laut Abschlussbericht des Hörgeräteakustikers hat der Kläger mehrere zuzahlungspflichtige Geräte getestet. Laut Dokumentation wurden dem Kläger zwei zuzahlungsfreie Hörgeräteversorgungen angeboten. Der Kläger hat auf ein solches Versorgungsangebot verzichtet. Er bestätigte mit seiner Unterschrift, dass er mit der Zahlung der Mehrkosten für die ausgewählten Hörgeräte und den damit verbundenen Folgekosten einverstanden sei. Tatsächlich hatte der Kläger nach übereinstimmenden Vortrag beider Beteiligter ein zuzahlungsfreies Gerät getestet. Eine weitergehende Anpassung unterblieb auf Wunsch des Klägers. Der Kläger nahm die Hörgeräte Phonak audeo Mini III am 27. Oktober 2010 in Empfang.
Mit Schreiben vom 16. November 2010 beantragte er unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 17. Dezember 2009 (Az. B 3 KR 20/08 R) die Übernahme der über den Festbetrag hinausgehenden Kosten. Er habe aufgrund einer permanenten Ohrsekretion nur aus dem Sortiment der offenen Hörgeräte wählen können.
Mit Schreiben vom 28. Oktober 2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin seien Vertragsgeräte nicht getestet worden. Die im Anpassungsbericht angegebenen Geräte würden alle oberhalb der Vertragspreise angegeben. Er habe unterschrieben, dass er sich für eine Versorgung mit Eigenanteil entschieden habe und keine Vertragsgeräte wünsche. Das Urteil des Bundessozialgerichts sei auf ihn wegen seiner Schwerhörigkeit und wegen des zwischen der Beklagten und der Bundesinnung für Hörgeräteakustiker (BIHA) bestehenden Vertrages nicht anwendbar. Der Vertrag mit der BIHA besage, dass der Leistungserbringer zwei zuzahlungsfreie digitale Vertragsgeräte anpassen müsse, die den Hörverlust ausgleichen. Analoge Geräte dürften nur mit besonderer Begründung herausgegeben werden.
Mit Schreiben vom 23. Dezember 2010 teilte die Beklagte mit, dass sie sich an den Kosten der Hörgeräteversorgung von 4.392,80 Euro mit 1.192,80 Euro beteilige. Das Schreiben enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem Schreiben vom 31. März 2011. Da er von seiner Frau zuzahlungspflichtige Geräte übernommen hatte, hätte sich bei der Neuanpassung die Frage, Vertragsgeräte auszutesten, nicht gestellt.
Mit Bescheid vom 7. April 2011 teilte die Beklagte mit, es bleibe bei der Entscheidung vom 28. Dezember 2010. Die Unterschrift des Klägers, dass er keine Geräte zum Vertragspreis testen wollte, sei rechtsverbindlich.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit dem Widerspruch vom 27. April 2011.
Die Beklagte hat daraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung des Sachverhalts beauftragt. Dieser kommt im Gutachten vom 13. September 2011 nach Aktenlage zum Ergebnis, dass die Schwerhörigkeit des Klägers in 2010 p ancochleär und relativ einfach zu versorgen gewesen sei. Von daher müsse der Kläger mit 2-4 Kanälen und einer Störgeräuschunterdrückung sicherlich ausreichend zu versorgen gewesen sein. Das vom Kläger gewählte Gerät gehe über den krankenversicherungsrechtlich gebotenen unmittelbaren Behinderungsausgleich orientiert an den Möglichkeiten eines Gesunden hinaus, indem es die Möglichkeit des Zooms habe. Auch Möglichkeiten des Bluetooth und Fernbedienungen gingen hierüber hinaus. Der Kläger sei zwischenzeitl...