Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Familienversicherung. Rentenbezieher. kurzfristige Teilrentenzahlung. Ermittlung des regelmäßigen Gesamteinkommens. Prognoseentscheidung. sozialgerichtliches Verfahren. Videoverhandlung. fehlende Sichtbarkeit der gesamten Richterbank hat keine Auswirkungen auf die vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts

 

Leitsatz (amtlich)

1.

Auf die Sichtbarkeit der gesamten Richterbank im Rahmen einer Videoverhandlung kann wirksam verzichtet werden.

2.

Beantragt ein Rentner für vier Monate eine Teilrente mit dem Ziel, nach diesem Zeitraum wieder eine Vollrente zu beziehen, ist bei der Bestimmung des regelmäßigen Gesamteinkommens im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V auf einen Zeitraum von zwölf Monaten abzustellen.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren die Feststellung, dass der Kläger zu 1. ab dem 01.07.2021 bei der Beklagten familienversichert gewesen ist.

Die Klägerin zu 2. ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Der am 28.12.1948 geborene Kläger zu 1. ist deren Ehemann und war privat krankenversichert. Er ist wohnhaft in R. Er erhielt seit dem Jahr 2013 eine Altersente. Diese wurde zunächst als Vollrente ausgezahlt. Ab dem 01.07.2021 erhielt er auf seinen Antrag vom 13.04.2021 hin von der Deutschen Rentenversicherung Bund nur noch eine Teilrente in Höhe von 159,97 € zuzüglich eines Zuschusses in Höhe von 12,48 € monatlich. Später beantragte er zum 01.11.2021 wieder eine Vollrente, die ihm mit Bescheid vom 19.10.2021 in Höhe von monatlich 1.064,27 € zuzüglich eines Zuschusses zur Krankenversicherung in Höhe von 84,61 € gewährt wurde.

Am 16.09.2021 beantragte der Kläger zu 1. bei der Beklagten die Aufnahme in die Familienversicherung.

Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16.09.2021 ab. Die Wahl der Teilrente sei nicht auf eine Kombination von Erwerbstätigkeit und Rentenbezug zurückzuführen. Ein Verzicht auf Sozialleistungen sei unwirksam.

Den hiergegen gerichteten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass im Fall der Teilrente § 46 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) keine Anwendung finde.

Im Rahmen des Widerspruchversverfahrens befragte die Beklagte die Klägerin zu 2. und holte Auskünfte bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ein.

Hierauf teilten die Kläger mit, dass die Beantragung der Vollrente zum 01.11.2021 erfolgt sei. Außer der Rente gebe es keine weiteren Einnahmen. Eine Frage zum Grund für den Antrag auf Teilrente beantworteten sie nicht.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2022 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass vorliegend davon auszugehen gewesen sei, dass die Gesamteinkommensgrenze bereits in Kürze wieder regelmäßig überschritten werde. Eine auf einem Gesamteinkommen in Höhe von 457,97 € monatlich beruhende Prognose wäre daher unzutreffend. Bei verständiger Würdigung der Umstände und des Akteninhalts könne nur der Schluss gezogen werden, dass die Rentengestaltung lediglich vorgenommen worden sei, um in das System der gesetzlichen Krankenversicherung zu kommen. Die gewählte Rentenhöhe sei dafür bereits ein hinreichendes Indiz. Die Einlassungen des Klägers bestätigten dies. Dieser habe angegeben, dass er nach § 42 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) nicht verpflichtet sei, diesbezüglich eine Antwort abzugeben. Dies habe private Gründe. Der Kläger zu 1. erhalte vorliegend seit dem 01.07.2021 eine monatliche Altersrente in Höhe von 156,97 € und aus einer geringfügigen Beschäftigung ein Entgelt in Höhe von 300,00 €. Zuvor habe sein Gesamteinkommen wegen Bezugs einer Vollrente regelmäßig die Einkommensgrenze des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) überschritten. Ausweislich einer Auskunft des Rentenversicherungsträgers betrage die Höhe der Vollrente ab dem 01.11.2021 1.064,27 €. Der Antrag auf Teilrente sei unwirksam. Dem Kläger zu 1. sei seit dem Jahr 2013 eine Rente gezahlt worden. Nachvollziehbare Gründe, weshalb er nunmehr eine Teilrente beansprucht habe, hätten die Kläger nicht benannt. Aus Sicht eines objektiven Beobachters habe der Kläger zu 1. nur deshalb Teilrente beantragt, um nach langjähriger privater Versicherung zunächst kostenfrei familienversichert zu werden, um dann in die - im Vergleich zur privaten Krankenversicherung - kostengünstigere freiwillige gesetzliche Krankenversicherung zu wechseln. Damit liege ein unwirksamer Verzicht im Sinne des § 46 Abs. 2 SGB I vor. Demnach komme eine Familienversicherung nicht in Betracht. Dieser Bescheid ergehe auch im Namen der Pflegekasse.

Mit ihrer am 04.03.2022 beim Sozialgericht Mainz eingegangenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Zur Begründung wiederholen und vertiefen sie ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend führen sie aus, die Beantragung einer Teilrente stelle keinen Verzicht im Sinne des § 46 SGB I dar. Im Übrigen komme der Bewilligung der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Tatbestandsw...

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