Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. betriebliche Impfung. besondere Impfempfehlung des Arbeitgebers. erhöhtes Ansteckungsrisiko. Abgrenzung zur allgemeinen Grippeschutzimpfung. Gesundheitsvorsorge. Kinderkrankenschwester. Schweinegrippeimpfung
Orientierungssatz
1. Zur bejahten Anerkennung einer schweren Erkrankung einer Kinderkrankenschwester aufgrund einer betrieblich durchgeführten Schweinegrippeimpfung als Arbeitsunfall gem § 8 Abs 1 SGB 7.
2. Eine allgemeine Grippeschutzimpfung unterliegt grundsätzlich nicht dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, selbst wenn diese vom beschäftigenden Unternehmen empfohlen und finanziert wird (vgl BSG vom 31.1.1974 - 2 RU 277/73 = SozR 2200 § 548 Nr 2).
Tenor
1. Unter Aufhebung des Bescheides vom 13.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.02.2011 wird die Beklagte verurteilt, die Impfung der Klägerin am 02.11.2009 gegen Influenza A/H1N1 als Arbeitsunfall anzuerkennen und entsprechend den gesetzlichen Vorschriften zu entschädigen.
2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Tatbestand
Gegenstand des Verfahrens ist die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.
Die 1960 geborene Klägerin arbeitete als Kinderkrankenschwester im Z. Am 02.11.2009 nahm sie an einer von ihrem Arbeitgeber empfohlenen Impfung gegen das Schweinegrippevirus H1N1 teil. Sie erkrankte in der Folgezeit an einem Perikarderguss und Polyneuritis.
Im Juni 2010 erstatte der Arbeitgeber der Klägerin bei der Beklagten eine Unfallanzeige. Die Klägerin habe am 02.11.2009 die arbeitgeberseitig dringend empfohlene Impfung gegen das neue H1N1-Virus beim Betriebsarzt wahrgenommen. Es bestünde nun eine Erkrankung mit Verdacht auf Impfschaden. Als Art der Verletzung war "Neurologische Erkrankung, Paravaccinale" angegeben.
Die Beklagte begann darauf mit ihren Ermittlungen und zog verschieden Unterlagen bei bzw. holte Auskünfte ein, darunter:
Ein Bericht der D in W ( ) vom 28.07.2010 in dem
angegeben wurde, es seien die Diagnosen
- Rezidivierender Perikarderguss und Radikuloneuritis der Oberschenkel bei Z.n. H1N1-Vakzination 11/09 interpretierbar als postvakzinale Autoimmunreaktion, Steroidmonotherapie
- Nachweis unspezifischer Marklagerläsionen, unverändert zu 2/10, in 2/10 Liquorentnahme mit Nachweis eines monolymphozytären Zellbildes ohne Aktivierungsschaden, kleine Schrankenstörung
- Gagapentin-Therapie
Z.n. Pneumonie 4/10 (subklinisch, pulmonale Infiltrate)
Z.n. Hysterektomie 2004 gestellt worden.
Die geklagten Beschwerden und die festgestellten Erkrankungen seien mit Wahrscheinlichkeit auf die Impfung zurückzuführen.
Der Entlassungsbericht vom 15.06.2010 der H führt noch aus, es liege der Befund einer Radikuloneuritis ohne Progredienz oder akute neurologische Komplikationen vor. Zusammenfassend liege keine Sicherung i.S. einer spezifischen Autoimmunerkrankung vor, sondern letztlich doch ein postvakzinales Syndrom mit Perikarderguss und Neuritis, möglicherweise auch interpretierbar als Immunrekonstitutionssyndrom. Die Erkrankung sei als Impfreaktion/Impfschaden zu werten.
Im Bericht der H vom 21.04.2010 wird der Verlauf wie folgt wiedergegeben: Am Tag nach der Impfung habe die Klägerin bei grippalen Beschwerden Ibuprofen genommen. Nach fünf Tagen seien Schmerzen und Schwellung des Impfarmes aufgetreten. Nach einem grippalen Infekt im Dezember seien Kribbelparästhesien der Oberschenkel und Thoraxschmerz aufgetreten. Am 18.12.2009 sei ein Perikarderguss aufgefallen, der sich nach Behandlung zunächst zurückgebildet habe. Eine neurologische Abklärung der Kribbelparästhesien sei bis auf unspezifische Marklagerläsionen unauffällig gewesen. Anfang März habe die Klägerin erneut einen viralen Infekt gehabt und daraufhin sei erneut ein Perikarderguss aufgefallen, zudem habe ein heftiger Reizhusten bestanden.
Vom 06.07. bis 10.08.2010 war die Klägerin in stationärer Rehabilitation in D, der Entlassungsbericht vom 19.08.2010 wurde ebenfalls beigezogen.
Mit Schreiben vom 20.09.2010 teilte die U der Beklagten mit, die
Klägerin sei mit dem Impfstoff Pandemrix (ChargeNr.: A81BA063A) geimpft worden. Im Oktober 2009 sei von der Ständigen Impfkommission des R ( ) die Impfung gegen die neue Influenza A H1N1 empfohlen worden. Im Vorfeld sei über das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen Rheinland-Pfalz abgefragt worden, wie viel Impfstoffdosen für die Universitätsmedizin zur Verfügung gestellt werden sollten. Die Impfung sollte, in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit der Impfstoffe für folgende Indikationen gelten: Beschäftigte im Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege mit Kontakt zu Patienten oder infektiösem Material. Die Impfung der Klägerin sei nach den von der S vorgegeben Regeln erfolgt und sei vom Arbeitgeber empfohlen gewesen.
Das "Epidemiologische Bulletin" des R vom 12.10.2009 war dem Schreiben beigelegt. Demnach handelte es sich bei H1N1 um ein neues pandemisches Influenzavirus, da es innerhalb ku...