Orientierungssatz

Parallelentscheidung zum Vorlagebeschluss des SG Mainz vom 12.12.2014 - S 3 AS 130/14, der vollständig dokumentiert ist.

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 06.10.2017; Aktenzeichen 1 BvL 2/15, 1 BvL 5/15)

 

Tenor

1. Das Verfahren wird ausgesetzt.

2. Dem Bundesverfassungsgericht wird folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt:

Ist § 22 Abs. 1 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.05.2011 (BGBI. Nr. 23, S. 868) mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG - Sozialstaatlichkeit - und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar, soweit nach dessen 2. Halbsatz die für die Höhe des Anspruchs auf Grundsicherungsleistungen nach §§ 19 Abs. 1, 19 Abs. 3 S. 1 SGB II maßgeblichen Bedarfe für Unterkunft und Heizung lediglich anerkannt werden, soweit die tatsächlichen Aufwendungen hierfür angemessen sind, ohne dass der Gesetzgeber nähere Bestimmungen darüber getroffen hat, unter welchen Umständen von unangemessenen Aufwendung auszugehen ist?

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der am … 1949 geborene Kläger ist weißrussischer Staatsangehöriger. Er verfügt über eine unbefristete Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis als Kontingentflüchtling. Der Kläger bezieht seit dem 01.01.2005 Arbeitslosengeld II vom Beklagten, zeitweilig ergänzend zu Einnahmen aus abhängiger Beschäftigung. Er bewohnt zusammen mit seiner Ehefrau seit dem 16.06.2002 eine 65,40 m² große, öffentlich geförderte Zweiraumwohnung in ... Vermieterin ist die … GmbH, ein gemeinnütziges Wohnungsunternehmen. Sowohl der Kläger als auch seine Ehefrau sind Parteien des Mietvertrags. Zu Beginn des Mietverhältnisses hatten die Ehegatten eine Grundmiete von 435,40 Euro, eine Betriebskostenvorauszahlung von 78 Euro, eine Heizkostenvorauszahlung von 87 Euro und einen Modernisierungszuschlag von 4,45 Euro, mithin eine Gesamtmiete von 604,85 Euro monatlich zu entrichten. In § 2 Abs. 2 des Mietvertrags ist geregelt, dass die Miete sich nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen erhöhen oder ermäßigen kann.

Der Beklagte stellte zunächst die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung in die Berechnung des Leistungsanspruchs nach dem SGB II ein.

Ab dem 01.12.2005 wurden die monatliche Vorauszahlung und in Folge dessen die Gesamtmiete um 23,53 Euro auf 630,85 Euro erhöht. Zum 01.01.2008 erhöhte die Vermieterin die Nettokaltmiete um 13 Euro auf 448,40 Euro und die Gesamtmiete in Folge dessen auf 643,85 Euro. Nach interner Prüfung durch den Beklagten wurde die Mieterhöhung als zulässig eingestuft und mit Änderungsbescheid vom 24.04.2008 bei der Leistungsbewilligung in voller Höhe berücksichtigt.

Mit Schreiben vom 09.11.2010 forderte der Beklagte den Kläger dazu auf, bis zum 30.04.2011 "nach Möglichkeit zur Verringerung der monatlichen Mietkosten zu suchen". Dabei würde insbesondere ein Umzug in eine kostengünstigere Wohnung in Frage kommen. Der Beklagte führte hierzu weiter aus, dass Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht würden, soweit diese angemessen seien. Die Angemessenheit bemesse sich nach dem ... Mietspiegel. Wohnungen müssten sowohl nach der Wohnungsgröße als auch nach dem Wohnungspreis angemessen sein. Nach der vorgelegten Mietbescheinigung betrage die Größe der vom Kläger angemieteten Wohnung 65,40 m². Als angemessene Wohnungsgröße ergebe sich im Falle des Klägers in Anlehnung an das Wohnungsbindungsgesetz eine Quadratmeterfläche von maximal 60 m². Die Wohnung des Klägers koste derzeit 448,40 Euro. Angemessen für eine Wohnung mit maximal 60 m² seien 426 Euro. Dies bedeute für den Kläger, dass die Kosten der Unterkunft nicht angemessen seien, da die Wohnung zu teuer sei. Die tatsächlich zu zahlenden Mietkosten würden zunächst bis zum 30.04.2011 im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II berücksichtigt. Die Bemühungen des Klägers zur Kostensenkung seien durch geeignete Unterlagen nachzuweisen (z.B. Zeitungsannoncen, Anzeigenrechnung, Durchschriften von Schreiben an mögliche Vermieter, Eintragung in der Liste der Wohnungssuchenden beim Amt für soziale Leistungen). Die Wohnungsbemühungen seien vom Kläger auf dem beigefügten Vordruck in dem aufgeführten Umfang nachzuweisen. Der Kläger wurde weiter dazu aufgefordert, die Nachweise bis zum 15.04.2011 persönlich abzugeben. Der Beklagte wies den Kläger darauf hin, dass ab dem 01.05.2011 bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nur noch die angemessenen Unterkunftskosten für die Wohnung des Klägers als hilferechtlich berücksichtigt werden könnten. Der Beklagte machte weiter darauf aufmerksam, dass er im Falle einer Neuanmietung ohne Zustimmung nur die angemessenen Kosten der Unterkunft übernehmen werde.

In einem dem Schreiben beigefügten "Merkblatt für Wohnungssuchende (Stand: März 200...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge