Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen einer Ermittlungspflicht des Sozialleistungsträgers bei einem Überprüfungsantrag

 

Orientierungssatz

1. Ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB 10 erfordert zu seiner Zulässigkeit, dass der zu überprüfende Bescheid konkret benannt und der Grund für seine Unrichtigkeit angegeben wird. Dazu muss der Umfang des Prüfauftrags für die Verwaltung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens erkennbar sein. Anderenfalls ist der Sozialleistungsträger berechtigt, von einer inhaltlichen Prüfung des Antrags abzusehen (BSG Urteil vom 13. 2. 2014, B 4 AS 22/13 R).

2. Zu einer Überprüfung "ins Blaue hinein" ist der Sozialleistungsträger nicht verpflichtet.

 

Tenor

Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe werden abgelehnt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darum, ob der Beklagte auf zwei Überprüfungsanträge der Klägerin gemäß § 44 SGB X verpflichtet gewesen ist, eine inhaltliche Prüfung vorzunehmen.

Die Klägerin steht im laufenden Leistungsbezug beim Beklagten. Auf einen Weiterbewilligungsantrag der Klägerin bewilligte ihr der Beklagte mit Bescheid vom 10.6.2015 für die Zeit von Juli 2015 bis Juni 2016 Leistungen. Im Rahmen der Zahlungsmodalitäten hieß es, dass ein Betrag in Höhe von 103,40 monatlich an die “BA-SH/Zentralkasse gezahlt werde„.

Am 11.10.2015 stellte die Bevollmächtigte der Kläger per Fax zwei Überprüfungsanträge hinsichtlich des Bescheids vom 10.6.2015. Einen für die Klägerin und einen für den Kläger.

Mit zwei Bescheiden vom 14.10.2015 lehnte der Beklagte die Überprüfungsanträge ab. Zur Begründung führte er aus, dass die Überprüfungsanträge ohne Sach- und Rechtsprüfung abzulehnen seien, weil es für einen Antrag im Sinne des § 44 SGB X erforderlich sei, dass die zu überprüfenden Bescheide konkret benannt und Gründe für deren Unrichtigkeit angegeben werden. Ein lediglich ohne Begründung und pauschal gestellter Antrag könne ohne jede Sach- und Rechtsprüfung abgelehnt werden. Am 22.10.2015 legten die Kläger gegen die beiden Bescheide Widerspruch ein. Sie begründeten diesen nicht. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.1.2016 wies der Beklagte die Widersprüche zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Bescheide vom 14.10.2015 rechtmäßig ergangen seien. Er sei nicht verpflichtet gewesen, die Überprüfung des angegriffenen Bescheides vom 10.6.2015 vorzunehmen. Die vertretenen Kläger hätten zu keinem Zeitpunkt erkennen lassen, inwiefern die angeführten Bescheide zu beanstanden seien oder in welchem Umfang diese überprüft werden sollten.

Am 24.2.2016 haben die Kläger Klage beim Sozialgericht Mannheim erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Zur Begründung berufen sie sich darauf, dass im streitgegenständlichen Bescheid eine Aufrechnung i.H.v. 103,40 € monatlich getätigt worden sei, welche mangels eines Aufrechnungsbescheides rechtswidrig sei. Die Ablehnung der Überprüfungsanträge ohne inhaltliche Prüfung widerspreche der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, nach der es für das Auslösen einer Überprüfungspflicht genüge, wenn der zu überprüfende Bescheid genannt werde.

Die Kläger beantragen in der Hauptsache,

den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 10.6.2015 in Form des Widerspruchsbescheids vom 29.1.2016 aufzuheben und die Kläger nach Auffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt in der Hauptsache,

die Klagen abzuweisen.

Er verweist auf die Begründung der angefochtenen Bescheide und meint, dass eine materielle Prüfung des Bescheids vom 10.6.2015 mangels Begründung des Antrags nicht habe vorgenommen werden müssen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Verfahrensakte verwiesen, welche ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

II.

Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe waren mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klagen abzulehnen.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Erfolgt die Überprüfung aufgrund eines Antrags des Leistungsberechtigten, löst dieser Antrag zwar grundsätzlich eine Prüfpflicht des Leistungsträgers aus. Der Antrag bestimmt jedoch zugleich auch den Umfang des Prüfauftrags der Verwaltung im Hinblick darauf, ob bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist. Aufgrund oder aus Anlass des Antrags muss sich der Verwaltung im Einzelfall objektiv entschließen, aus welchem Grund (Rechtsfehler und/oder eine falsche Sachverhaltsgrundlage) nach Auffassung des Leistungsberechtigten eine Überprüfung erfolgen soll. Dazu muss der Antrag wenigsten...

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