Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Voraussetzung der Zuerkennung eines Mehrbedarfs für kostenaufwendige Ernährung und für allergiegerechte Waschmittel

 

Orientierungssatz

1. Allein eine Einschränkung der Bauchspeicheldrüsenfunktion rechtfertigt für einen Empfänger von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende im Regelfall noch nicht die Zuerkennung eines Mehrbedarfs für kostenaufwendige Ernährung, da diese Gesundheitsbeeinträchtigung eine keine von einer Vollkost abweichende Ernährungsform erfordert.

2. Das Erfordernis, bestimmte Waschmittel aufgrund einer Allergie zu nutzen, rechtfertigt regelmäßig noch nicht die Zuerkennung eines Mehrbedarfs zum Regelsatz für einen Empfänger von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende, jedenfalls soweit die Ausgaben für das Waschmittel nicht erheblich vom durchschnittlichen Bedarf abweichen.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt für den Bewilligungszeitraum November 2016 bis April 2017 höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Berücksichtigung

- eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs,

- eines Mehrbedarfs für Waschmittel aufgrund von Allergien,

- eines Mehrbedarfs für Desinfektionsmittel aufgrund von Fußpilz,

- eines Mehrbedarfs für eine Ciclopoli-Lösung zur Behandlung von Fußpilz,

- eines Mehrbedarfs für therapeutisches Rückenschwimmen (Jahreskarte für das ...) und

- eines Mehrbedarfs für Schuhreparaturen.

Der Kläger steht beim Beklagten im laufenden Leistungsbezug. Zuletzt bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 11. April 2016 für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober 2016 monatlich € 845,11, wobei er einen ernährungsbedingten Mehrbedarf und einen unabweisbaren laufenden Mehrbedarf für Waschmittel anerkannte. Über die Leistungshöhe in diesen Leistungszeitraum war beim erkennenden Gericht unter dem Aktenzeichen S 3 AS 2441/16 ein Rechtsstreit anhängig (klagabweisendes Urteil vom 24. Oktober 2019).

In seinem Weiterbewilligungsantrag vom 4. Oktober 2016 machte der Kläger (wiederholt) geltend, er leide an einer Allergie, so dass er keine Waschmittel mit Konservierungsstoffen und Duftstoffen sowie keine Entkalkungsmittel verwenden könne. Er legte Belege für im August und September 2016 erworbene Waschmittel und Essigessenz vor. Er machte darüber hinaus einen ernährungsbedingten Mehrbedarf geltend und legte eine Erklärung des Allgemeinmediziners Dr. ... vor, wonach der Kläger an einer Fettstoffwechselstörung, einer chronischen Pankreatitis sowie einer Hypertonie leide und daher eine leichte mediterane Frischkost benötige.

Bereits im Juli 2016 hatte der Kläger monatliche Kosten für Desinfektionsmittel in Höhe von € 11,98 geltend gemacht. Er müsse aus medizinischen Gründen seine Schuhe und sein Badezimmer täglich desinfizieren. Er legte ein Schreiben seiner Krankenkasse vom 1. August 2016 vor, in dem diese mitteilte, keine Kosten für Desinfektionsmittel zu übernehmen. Außerdem legte er ein Ärztliches Attest der Hautärztin … vom 26. August 2016 vor, wonach er an Fuß- und Nagelpilz leide. Außerdem beantragte der Kläger die Übernahme der Kosten für die Reparatur seiner Lederschuhe. Aufgrund seiner Pilzerkrankung trage er Lederschuhe, weil diese besser „atmen“ würden, so dass sein Juckreiz deutlich vermindert würde. Im ersten Halbjahr 2016 habe er für die Reparaturen € 175,50 aufgewandt. Eine entsprechende Quittung legte er vor.

Mit Bescheid vom 21. September 2016 lehnte der Beklagte die Berücksichtigung von Desinfektionskosten mit der Begründung ab, es handle sich um Hygienebedarf, der von der Regelleistung zu zahlen sei. Mit weiterem Bescheid vom 21. September 2016 lehnte der Beklagte die Erstattung von Schuhreparaturkosten für das erste Halbjahr 2016 mit der Begründung ab, der Kläger habe den Antrag vor der Reparatur der Schuhe stellen müssen.

Mit Bescheid vom 24. Oktober 2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger für November 2016 bis April 2017 vorläufig € 845,27. Dabei erkannte sie einen ernährungsbedingten Mehrbedarf von € 40,40 monatlich und einen unabweisbaren, laufenden Bedarf für Waschmittel von € 10,41 monatlich an. Die Vorläufigkeit der Leistungserbringung begründete der Beklagte damit, der Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung werde routinemäßig durch seinen Ärztlichen Dienst überprüft. Daher werde hierüber nur vorläufig entschieden. Der Mehrbedarf für Waschmittel sei ebenfalls streitig. Dieser werde bis zu einer Entscheidung des Gerichts im Parallelverfahren ebenfalls nur vorläufig bewilligt. Bei der endgültigen Leistungsbewilligung seien etwaige Überzahlungen zu erstatten. Ergehe innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Bewilligungszeitraums keine abschließende Entscheidung, würden die vorläufig bewilligten Leistungen als abschließend festgesetzt gelten.

Der Beklagte holte eine sozialmedizinische Stellungnahme von Ärztin ... vom 14. November 2016 ein, in der diese ausführte, beim Krankheitsbild...

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