Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Rahmenvertrag zwischen Krankenkasse und Apotheke nach § 129 SGB 5. Vertragsstrafe bei Falschabrechnung. Klagebefugnis der Krankenkasse bei streitgegenständlicher Forderung. zulässige Klageart. inhaltliche Bestimmtheit des Rahmenvertrages. Verhältnismäßigkeit einer Vertragsstrafe
Orientierungssatz
1. Verhängt die Krankenkasse gegen den Inhaber einer Apotheke eine Vertragsstrafe wegen von ihr behaupteter Falschabrechnung und verweigert der Apotheker deren Zahlung, so ist sie zu deren Durchsetzung gehalten, die Vertragsstrafe durch einen Verwaltungsakt festzusetzen, denn aus der Systematik und dem Wortlaut von § 54 Abs 5 SGG folgt, dass eine echte Leistungsklage unzulässig ist, wenn der Kläger die Möglichkeit hat, die streitgegenständliche Forderung selbst festzusetzen.
2. Je nach Inhalt einer im Streit stehenden Maßnahme kommt eine Verwaltungsakt-Befugnis auch innerhalb eines bestehenden Gleichordnungsverhältnisses in Betracht. Die Verhängung einer Vertragsstrafe auf der Basis eines Rahmenvertrages nach § 129 SGB 5 durch die Krankenkasse stellt gegenüber dem Apotheker die Ausübung hoheitlicher Gewalt dar. Dies hat zur Folge, dass sie nur in der Rechtsform eines anfechtbaren Verwaltungsakts erfolgen kann (vgl BSG vom 13.8.2014 - B 6 KA 46/13 R = SozR 4-5555 § 22 Nr 1).
3. Eine Vertragsstrafe kann nur gefordert werden, wenn insoweit bei Abschluss des Rahmenvertrags zwischen den Vertragsparteien eine vertragliche Einigung erzielt worden ist, die sich sowohl auf die maßgeblichen Tatbestände, welche den Strafanspruch auslösen sollen, als auch auf die Höhe der jeweiligen Strafzahlungen beziehen muss. Enthält der Rahmenvertrag dazu keine Regelungen, so fehlt die erforderliche vertragliche Grundlage.
4. Zur Verhältnismäßigkeit einer Vertragsstrafe im Rahmen eines Rahmenvertrages nach § 129 SGB 5.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten - eine gesetzliche Krankenkasse (Klägerin) und die Inhaberin einer Apotheke (Beklagte) - streiten im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Sozialgesetzbuch V (SGB V) um eine Vertragsstrafe (6.560 €).
II.
Die Beklagte rechnete Sommer 2011 zu Lasten der Klägerin im Rahmen der Arzneimittelversorgung falsch ab: Die Medikamente Metoprolol Succinat Beta 47,5 und Metoprolol Succinat Beta 95 waren seinerzeit Gegenstand eines Rabattvertrages zwischen der Klägerin und dem Hersteller (betapharm Arzneimittel GmbH). Da diese Medikamente in den Monaten Juni und Juli 2011 noch gar nicht lieferbar waren, gab die Beklagte in insgesamt 44 Fällen an Versicherte der Klägerin andere, aber wirkstoffgleiche Präparate ab; gleichwohl bedruckte sie die entsprechenden Kassenrezepte mit der Pharmazentralnummer (PZN) der genannten Präparate und legte diese Rezepte bei der Klägerin zur Abrechnung vor.
Zur Erläuterung gab sie später an, in ihrer Apotheke seien fünf Mitarbeiterinnen beschäftigt. Sie habe seinerzeit noch mit einer alten Computersoftware gearbeitet, die die vorgelegten Kassenrezepte mit der PZN bedruckt habe, bevor die Verfügbarkeit des ärztlich verordneten Medikaments überprüft werden konnte. In den streitigen Fällen sei dann wohl versehentlich versäumt worden, die PZN manuell abzuändern (Angabe der PZN des tatsächlich abgegebenen Arzneimittels). Ein solches Versehen könne insbesondere bei großem Kundenandrang vorkommen und sei auch bei sorgfältiger Systemüberwachung nicht gänzlich ausgeschlossen.
III.
Das diesbezügliche Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Mannheim (601 Js 24746/11) ist mit Verfügung vom 2.8.2012 eingestellt worden, da nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ein Verschulden der Beklagten überaus zweifelhaft und wohl kaum nachweisbar war. In der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Mannheim heißt es wörtlich:
Vielmehr ist aufgrund der weitgehend automatisierten Abrechnung und des fehlerhaften Verhaltens einzelner Mitarbeiterinnen bei den Bestell- und Abrechnungsvorgängen innerhalb der Apotheke nicht nachzuweisen, dass der Beschuldigten die Falschabrechnungen überhaupt im Ansatz bewusst waren.
IV.
Nach Aufdeckung der dargestellten Falschabrechnungen teilte die Klägerin mit Schreiben vom 30.7.2012 mit, es sei beabsichtigt, die Beklagte zu verwarnen und eine Vertragsstrafe festzusetzen. Die Höhe der Vertragsstrafe, die im Benehmen mit dem Landesapothekerverband Baden-Württemberg verhängt werden solle, werde voraussichtlich bei 9.200 € liegen.
V.
Der in dieser Angelegenheit eingeschaltete Landesapothekerverband Baden-Württemberg (LAV) vertrat am 31.7.2012 die Auffassung, die geplante Verhängung von Vertragsstrafen erscheine in der vorgesehenen Art und Höhe nicht verhältnismäßig bzw. angemessen und sei durch die erhobenen Vorwürfen nicht gerechtfertigt. Denn schließlich habe die Klägerin die Problematik selbst erzeugt, indem sie einen Rabattvertrag abgeschlossen habe, obwohl der Hersteller nicht in der Lage gewesen sei, die rabattierten Medikamente z...