Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Bewilligung von Pflegegeld im Rahmen der Sozialhilfe
Orientierungssatz
1. Der Anspruch des Pflegebedürftigen auf Bewilligung von Pflegegeld durch den Sozialhilfeträger nach § 64 Abs. 1 S. 2 SGB 12 setzt voraus, dass tatsächlich ein Pflegebedarf besteht, für dessen Sicherstellung die pflegebedürftige Person ein Pflegegeld benötigt. Erforderlich ist, dass tatsächlich ein offener Bedarf vorliegt.
2. Macht der Antragsteller geltend, er benötige das Pflegegeld als Motivationshilfe und Aufwendungsersatzleistung, so ist ein Anspruch nach § 64 Abs. 1 S. 2 SGB 12 ausgeschlossen.
3. Dies gilt erst recht bei 24-stündiger engmaschiger Betreuung durch professionelle Pflegekräfte. In einem solchen Fall ist die zusätzliche Bewilligung eines Pflegegeldes nur dann denkbar, wenn tatsächlich noch ein offener, durch den Pflegedienst nicht abgedeckter Pflegerest verbleibt.
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen der Sozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch XII (SGB XII) um die Zahlung eines anteiligen Pflegegeldes für die Zeit seit August 2018.
II.
Die am ... geborene - somit heute ... - Klägerin ist aufgrund eines Verkehrsunfalls (1979) querschnittsgelähmt (Querschnittsyndrom C6 mit spastischer Tetraplegie) und bezog zunächst Sozialhilfeleistungen der Stadt ...; später ist die Zuständigkeit auf den Beklagten übergegangen. Mittlerweile lebt die Klägerin im hiesigen Gerichtsbezirk. Sie erhält von Beginn an eine häusliche (ambulante) „Rund-um-die-Uhr-Betreuung“ durch einen Pflegedienst, welche durch Leistungen der Pflegekasse (Pflegegrad 4) und Hilfe des Beklagten finanziert wird. Zusätzlich erhielt die Klägerin noch ein anteiliges Pflegegeld durch den Beklagten. Hinzu kommen Leistungen nach dem vierten Kapitel des SGB XII durch den örtlich zuständigen Sozialhilfeträger, den Rhein-Neckar-Kreis. Der Behinderungsgrad (GdB) der Klägerin beträgt 100 (mit Merkzeichen B, G, H aG, H und RF).
Mit dem zuletzt maßgeblichen Bescheid vom 19.3.2018 / Widerspruchsbescheid vom 27.6.2018 wurde der sozialhilferechtliche monatliche Betrag für die Übernahme der Kosten eines ambulanten Pflegedienstes ab dem 1.6.2018 auf maximal 9.000 € begrenzt (vgl. hierzu aber Beschluss des SG Mannheim vom 12.6.2018 - S 10 SO 1498/18 ER mit zugehörigem Beschwerdebeschluss des LSG Baden-Württemberg vom 28.6.2018 - L 7 SO 2149/18 ER-B, vorläufige Weitergewährung der bisherigen nicht begrenzten Leistungen für eine Übergangszeit bis einschließlich zum 31.7.2018, Klageverfahren S 10 SO 1805/18, teilweise Aufhebung des angeführten Bescheides durch den Beklagten am 5.10.2018).
III.
Im Hinblick darauf, dass der Beklagte das anteilige Pflegegeld auf Basis der Entscheidung des LSG Baden-Württemberg für die Monate Juni und Juli 2018 weiter auszahlte, erneuerte die Klägerin ihren Antrag auf Weiterbewilligung des anteiligen Pflegegeldes mit Schreiben vom 4.7.2018/9.8.2018 für die Zeit ab August 2018.
Mit Bescheid vom 21.9.2018 teilte der Beklagte der Klägerin mit, der Antrag auf Bewilligung eines monatlichen anteiligen Pflegegeldes werde abgelehnt. Denn das anteilige Pflegegeld setze nach § 64a Abs. 1 Satz 2 SGB XII voraus, dass die erforderliche Pflege mit dem Pflegegeld in geeigneter Weise selbst sichergestellt werde. Hiervon könne nicht ausgegangen werden, wenn - wie hier - die Pflege ausschließlich durch besondere, über die Pflegekasse bzw. das Sozialamt finanzierte, (professionelle) Pflegekräfte erfolge. Eine private Pflegeperson, die darüber hinaus den pflegerischen oder hauswirtschaftlichen Bedarf der Klägerin mitabdecke, sei nicht vorhanden, so dass zusätzlich zu den ohnehin gewährten Leistungen die Zahlung eines anteiligen Pflegegeldes ausscheide.
IV.
Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin am 28.9.2018 Widerspruch: Sie habe das anteilige Pflegegeld letztmals für den Monat Juli 2018 erhalten. Die Begründung des Ablehnungsbescheides überzeuge nicht, denn es komme „nicht darauf an, dass ein Pflegebedürftiger den gesamten pflegerischen Bedarf mit dem Pflegegeld abdecken müsse“. Denn das Pflegegeld ziele nicht auf eine „Entlohnung von Pflegepersonen oder Pflegekräften“ ab; vielmehr diene es „in erster Linie zur Förderung bzw. Erhaltung der Pflegebereitschaft“ (bspw. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9.1.2006 - L 23 B 1009/05 SO ER). Außerdem solle hiermit der Aufwand für „mit der Pflegebedürftigkeit zusammenhängende ... Geschenke“ oder für kleine Aufmerksamkeiten, mit denen sich die pflegebedürftige Person gegenüber „pflegenden Besuchern erkenntlich zeigen“ wolle, abgedeckt werden. Im Übrigen bedeute der Umstand, dass ihre Pflege über einen Pflegedienst erfolge, nicht, dass sie die Pflege nicht (wenigstens teilweise) selbst organisieren müsste. Außerdem habe sich der Gesetzgeber „bewusst dafür entschieden“, dass Pflegebedürftige, welche besondere Pflegekräfte hinzuz...