Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Die Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf eine Verfahrensgebühr tritt bereits mit der Entstehung der betroffenen Gebühren ein; auf die Erfüllung der anwaltlichen Vergütungsforderung kommt es hierfür nicht an.
2. Gleichwohl können beide Gebühren in voller Höhe geltend gemacht werden, solange insgesamt nicht mehr als die um den Anrechnungsbetrag verringerte Summe verlangt wird.
3. Ein Dritter kann sich als Kostenschuldner auf die Anrechnung nur in der Höhe berufen, in der er den Anspruch auf die Geschäftsgebühr erfüllt hat, in der diese gegen ihn tituliert ist oder in der diese in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht wird.
Tenor
Auf die Erinnerung der Kläger wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Marburg vom 13. Juni 2017 dahingehend abgeändert, dass der Beklagte den Klägern als außergerichtliche Kosten für das Klageverfahren S 13 AS 15/15 vor dem Sozialgericht Marburg insgesamt 1.204,44 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Mai 2017 zu erstatten hat.
Der Erinnerungsgegner hat den Erinnerungsführern die Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der von dem Erinnerungsgegner an die Erinnerungsführer zu erstattenden außergerichtlichen Kosten für das Klageverfahren S 13 AS 15/15 vor dem Sozialgericht Marburg. Im Streit steht die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung, konkret die Frage, inwieweit die Geschäftsgebühr für das Vorverfahren auf die Verfahrensgebühr für das Klageverfahren anzurechnen ist.
In dem genannten Ausgangsverfahren erhoben die Erinnerungsführer im Januar 2015 Klage gegen einen Bescheid des Erinnerungsgegners vom 25. August 2014 "und den Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2014". In der Sache begehrten die Kläger die vollständige Übernahme ihrer Kosten der Unterkunft im Rahmen der von ihnen bezogenen laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Am 5. Mai 2017 schlossen die Beteiligten während eines Erörterungstermins einen gerichtlichen Vergleich. Darin verpflichtete sich der Beklagte u.a., den Klägern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Vorverfahren zu 87 % und für das Klageverfahren zu 75 % zu erstatten.
Am 15. Mai 2017 (Eingangsdatum) beantragten die Erinnerungsführer, die Höhe der ihnen zu erstattenden Kosten durch gerichtlichen Beschluss festzusetzen. Dabei machten sie folgende Positionen (nebst Zinsen) geltend:
- Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2302 VV RVG = 300,00 €,
- Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG = 180,00 €,
- Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG = 20,00 €,
- 19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG = 95,00 €,
Zwischensumme: 595,00 €, davon 87 % = 517,65 €.
- Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG = 300,00 €,
abzüglich Anrechnung der von dem Beklagten geforderten Geschäftsgebühr (87 % von 300,00 € = 261,00 €) zu 50 % = - 130,50 €
- Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG = 280,00 €,
- Einigungsgebühr gemäß Nr. 1005 VV RVG = 300,00 €,
- Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG = 20,00 €,
- 19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG = 146,21 €,
Zwischensumme: 915,71 €, davon 75 % = 686,79 €.
Endsumme: 1.204,44 €.
Der hierzu angehörte Erinnerungsgegner akzeptierte die geforderten Gebühren und ihre anwaltlich bestimmte Höhe. Er vertrat indes die Ansicht, die entstandene Geschäftsgebühr von 300,00 € sei zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr anzurechnen, so das von dieser nicht nur 130,50 €, sondern 150,00 € abzuziehen seien. Daraufhin erließ die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle den Kostenfestsetzungsbeschluss für das Ausgangsverfahren vom 13. Juni 2017. Dabei wich sie von der Kostenforderung der Erinnerungsführer nur hinsichtlich dieser Anrechnung ab und setzte insgesamt einen von dem damaligen Beklagten an die damaligen Kläger zu erstattenden Betrag in Höhe von 1.187,02 € nebst Zinsen fest. Dabei folgte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle der Rechtsansicht des damaligen Beklagten. Für die Anrechnung sei die volle Geschäftsgebühr von 300,00 € zu berücksichtigen - auch wenn der Beklagte nur einen Bruchteil dieses Betrags zu erstatten habe. Denn der Rechtsanwalt könne die entstandene Geschäftsgebühr im Übrigen von seiner Mandantschaft einfordern.
Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss für das Ausgangsverfahren vom 13. Juni 2017 haben die Kläger am 27. Juni 2017 Erinnerung eingelegt. Die Geschäftsgebühr sei nur insoweit (zur Hälfte) anzurechnen, als sie auch tatsächlich gezahlt worden sei. Der Rechtsanwalt habe ein Wahlrecht, welche Gebühr er in ungekürzter Höhe von welchem Schuldner einfordere.
Die Erinnerungsführer beantragen sinngemäß,
den Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Marburg vom 13. Juni 2017 dahingehend abzuändern, dass der Beklagte den Klägern als außergerichtliche Kosten für das Klageverfahren S 13 AS 15/15 vor dem Sozialgericht Marburg insgesamt 1.204,44 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Mai 2017 zu erstatten hat.
Der Erinnerungsgegner bea...