Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Streit über berufsrechtliche Pflichten eines Privatarztes. Heranziehung zum Ärztlichen Bereitschaftsdienst. Eröffnung des Sozialrechtswegs
Orientierungssatz
Für den Rechtsstreit zwischen einem sog Privatarzt und einer Kassenärztlichen Vereinigung über die Heranziehung zum Ärztlichen Bereitschaftsdienst ist der Sozialrechtsweg eröffnet.
Nachgehend
Tenor
Der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit ist eröffnet.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit eines Widerspruchs im Rahmen der Frage, ob die Klägerin als Privatärztin zum Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Beklagten herangezogen werden kann.
Die Kläger ist Ärztin für Urologie und mit Praxissitz in A-Stadt niedergelassen. Sie ist ausschließlich privatärztlich tätig.
Die Beklagte informierte mit Schreiben vom 15.05.2019 die ausschließlich privatärztlich tätigen Ärzte, darunter auch die Klägerin, über die Einbeziehung der Privatärzte in ihren Ärztlichen Bereitschaftsdienst unter den Überschriften „Teilnahme am ÄBD entfällt bei Beendigung der Praxis“, „Procedere“, „Teilnahmevoraussetzungen/Nachweise“, „Befreiungsgründe, Altersgrenze“ und „Finanzielle Rahmenbedingungen“.
Die Klägerin widersprach mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 16.07.2019 der Heranziehung zum Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Beklagten grundsätzlich. Es gebe zwar noch keinen förmlichen Bescheid bzw. individualisierten Heranziehungsbescheids in Form eines Verwaltungsaktes, Es gebe aber Maßnahmen, welche die Heranziehung zum Ärztlichen Bereitschaftsdienst vorbereiten sollten. Von der Beklagten werde unterstellt, dass es gewissermaßen eine gesetzliche Teilnahmeverpflichtung gebe, die nur noch zu personalisieren sei. Privatärzte seien keine Mitglieder der Beklagten und profitierten nicht von den Vorteilen des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung. Im Heilberufsgesetz sei nur geregelt, dass für alle Ärzte in eigener Praxis die Verpflichtung bestehe, am Notfalldienst teilzunehmen. Das Heilberufsgesetz verweise auf die Berufsordnung, enthalte aber keine Bezugnahme auf den Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Beklagten. Die Berufsordnung unterwerfe die Privatärzte der Satzungsgewalt der Beklagten und verweise auf deren Bereitschaftsdienstordnung. Dies sei unzulässig. Der Widerspruch solle bereits im jetzigen Verfahrensstadium für einen Suspensiveffekt sorgen.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2020 den Widerspruch als unzulässig zurück. In den Bescheidgründen führte sie aus, bei dem Schreiben vom 15.05.2019 handle es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern lediglich um ein Informationsschreiben. Es fehle an dem für einen Verwaltungsakt erforderlichen Regelungsgehalt. Es sei weder die Höhe der Kostenbeteiligung am ÄBD festgelegt noch eine konkrete Diensteinteilung vorgenommen worden.
Hiergegen hat die Klägerin am 05.03.3020 die Klage erhoben.
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, es sei ein Musterverfahren (S 12 KA 305/19) mit der Beklagten verabredet worden, woran sich die Beklagte aber nicht halte. Sie verweise auf die Klagebegründung zum dortigen Verfahren, die sie in Kopie zur Gerichtsakte einreiche. Im dortigen Verfahren wird vorgetragen, die Klage richte sich nicht gegen die gesetzliche Regelung im Heilberufsgesetz, sondern gegen die Umsetzung durch das Satzungsrecht. Berufsrechtlich seien im Grundsatz alle niedergelassenen Ärzte zum Ärztlichen Bereitschaftsdienst verpflichtet. Bei den Rechtsgrundlagen sei strikt zwischen Berufs- und Vertragsarztrecht zu unterscheiden. Der Status von Privatärzten und Vertragsärzten unterscheide sich fundamental und diametral. Für Privatärzte gelte ausschließlich Berufsrecht, während Vertragsärzte vollständig dem Regime der Kassenärztlichen Vereinigung unterständen. Privatärzte seien keine Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigung und damit keine Teilnehmer an der vertragsärztlichen Versorgung. Der Privatarzt profitiere in keinster Weise von den Vorteilen des Systems der Gesetzlichen Krankenversicherung. Privatärzte seien in niedergelassener Praxis tätig. Der Privatarzt müsse sich um jeden Patienten individuell kümmern. Privatärzte könnten ihren Patientenstamm nur halten, wenn sie durchgängig zur Verfügung stünden, d.h. auch während der sprechstundenfreien Zeiten. Hierfür würden sie organisatorische Vorkehrungen treffen. Alle niedergelassenen Ärzte seien grundsätzlich zum Ärztlichen Bereitschaftsdienst verpflichtet. Für Privatärzte bestehe die Verpflichtung nur berufsrechtlich. Eine Verpflichtung des Privatarztes zur Teilnahme am allgemeinen Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Beklagten begegne bereits verfassungsmäßigen Bedenken. Bei der Regelung im Heilberufsgesetz handle es sich um ein formell wirksames Gesetz. Eine Vorlage sei allerdings nicht erforderlich, da das Satzungsrecht unwirksam sei. Die im Heilberufsgesetz geregelte Teilnahme könne nur berufsrechtlich begründet werden. Di...