Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Ärztlicher Bereitschaftsdienst. Informationsschreiben an Privatärzte über die Einbeziehung in den Ärztlichen Bereitschaftsdienst mit nur allgemeinen Ausführungen. kein Verwaltungsakt. fehlendes Feststellungsinteresse im sozialgerichtlichen Verfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Enthält ein an alle Privatärzte gerichtetes Informationsschreiben über die Einbeziehung in den Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) der Beklagten nur allgemeine Ausführungen zur Rechtslage und zum Procedere der Teilnahme, handelt es sich bei dem Schreiben nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 31 S 1 SGB X.
2. Für eine Feststellungsklage im Sinne von § 55 Abs 1 SGG gerichtet auf die Feststellung, dass die Einbeziehung in den ÄBD rechtswidrig ist, fehlt es an einem Feststellungsinteresse, da es der Klägerin zugemutet werden kann, zunächst einen Heranziehungsbescheid abzuwarten und gegen diesen dann vorzugehen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit eines Widerspruchs im Rahmen der Frage, ob die Klägerin als Privatärztin zum Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) der Beklagten herangezogen werden kann.
Die Kläger ist Ärztin für Urologie und mit Praxissitz in A-Stadt niedergelassen. Sie ist ausschließlich privatärztlich tätig.
Mit Schreiben vom 15.05.2019 versandte die Beklagte ein an alle Privatärzte gerichtetes Rundschreiben über die Einbeziehung der Privatärzte in den ÄBD. In dem Schreiben teilte die Beklagte mit, dass eine Einbeziehung der Privatärzte in den ÄBD ab dem 01.07.2019 geplant sei. Sie informierte über das Procedere zur Teilnahme und machte Ausführungen zu den bestehenden Teilnahmevoraussetzungen und die beizubringenden Nachweise und informierte über Befreiungsgründe. Weiter stellte sie die finanziellen Rahmenbedingungen dar und verwies auf zukünftig jährlich ergehende Beitragsbescheide. Das Schreiben schloss mit der Bitte, sich bei Bedarf rechtzeitig zu einem Seminar anzumelden und die erforderlichen Unterlagen einzureichen, damit ein reibungsloser Beginn der Mitwirkung im ÄBD gewährleistet werden könne.
Die Klägerin widersprach mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 16.07.2019 der Heranziehung zum ÄBD grundsätzlich. Es gebe zwar noch keinen förmlichen Bescheid bzw. individualisierten Heranziehungsbescheids in Form eines Verwaltungsaktes, Es gebe aber Maßnahmen, welche die Heranziehung zum ÄBD der Beklagten vorbereiten sollten. Von der Beklagten werde unterstellt, dass es gewissermaßen eine gesetzliche Teilnahmeverpflichtung gebe, die nur noch zu personalisieren sei. Privatärzte seien keine Mitglieder der Beklagten und profitierten nicht von den Vorteilen des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung. Im Heilberufsgesetz sei nur geregelt, dass für alle Ärzte in eigener Praxis die Verpflichtung bestehe, am Notfalldienst teilzunehmen. Das Heilberufsgesetz verweise auf die Berufsordnung, enthalte aber keine Bezugnahme auf den ÄBD der Beklagten. Die Berufsordnung unterwerfe die Privatärzte der Satzungsgewalt der Beklagten und verweise auf deren Bereitschaftsdienstordnung. Dies sei unzulässig. Der Widerspruch solle bereits im jetzigen Verfahrensstadium für einen Suspensiveffekt sorgen.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2020 den Widerspruch als unzulässig zurück. In den Bescheidgründen führte sie aus, bei dem Rundschreiben vom 15.05.2019 handle es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern lediglich um ein Informationsschreiben. Es fehle an dem für einen Verwaltungsakt erforderlichen Regelungsgehalt. Es sei weder die Höhe der Kostenbeteiligung am ÄBD festgelegt noch eine konkrete Diensteinteilung vorgenommen worden.
Hiergegen hat die Klägerin am 05.03.3020 Klage am Sozialgericht Marburg erhoben. Sie trägt vor, es sei ein Musterverfahren (S 12 KA 305/19) mit der Beklagten verabredet worden, woran sich die Beklagte aber nicht halte. Sie verweise auf die Klagebegründung zum dortigen Verfahren, die sie in Kopie zur Gerichtsakte einreiche.
Im dortigen Verfahren wird vorgetragen, die Klage richte sich nicht gegen die gesetzliche Regelung im Heilberufsgesetz, sondern gegen die Umsetzung durch das Satzungsrecht. Berufsrechtlich seien im Grundsatz alle niedergelassenen Ärzte zum ÄBD verpflichtet.
Bei den Rechtsgrundlagen sei strikt zwischen Berufs- und Vertragsarztrecht zu unterscheiden. Der Status von Privatärzten und Vertragsärzten unterscheide sich fundamental und diametral. Für Privatärzte gelte ausschließlich Berufsrecht, während Vertragsärzte vollständig dem Regime der Beklagten unterständen.
Privatärzte seien keine Mitglieder der Beklagten und damit keine Teilnehmer an der vertragsärztlichen Versorgung. Der Privatarzt profitiere in keinster Weise von den Vorteilen des Systems der Gesetzlichen Krankenversicherung. Privatärzte seien in niedergelassener Praxis tätig. Der Privatarzt müsse sich um jed...