Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Sonderbedarfszulassung. lokaler Versorgungsbedarf. einstweiliger Rechtsschutz
Leitsatz (amtlich)
Die Erteilung einer Sonderbedarfszulassung wegen eines lokalen Versorgungsbedarfs nach § 36 BedarfsplRl (juris: ÄBedarfsplRL) in der ab 18.6.2013 geltenden Fassung ist - wie nach der bis dahin geltenden Fassung - immer dann zu ermöglichen, wenn dies zur Realisierung des Versorgungsanspruchs der Versicherten erforderlich ist, dh wenn sonst unter Umständen inakzeptable Versorgungslücken festgeschrieben würden. Patienten dürfen bei allgemeinen Leistungen nicht auf Versorgungsangebote verwiesen werden, die mehr als 25 km entfernt sind (vgl BSG vom 23.6.2010 - B 6 KA 22/09 R = SozR 4-2500 § 101 Nr 8).
Orientierungssatz
Az beim LSG: L 4 KA 43/13
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens um eine Sonderbedarfszulassung mit einem hälftigen Versorgungsauftrag für die vertragsärztliche Tätigkeit als Chirurg in A-Stadt.
Der Antragsteller wurde als Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und spezielle Unfallchirurgie mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte vom 24.05.2011 zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung mit vollem Versorgungsauftrag und Praxissitz C-Straße, A-Stadt zugelassen. Er ist zugleich als D-Arzt tätig. Der Zulassungsausschuss reduzierte auf Antrag des Antragstellers dessen Versorgungsauftrag mit Beschluss vom 21.02.2012 um 50 %. Der freiwerdende hälftige Versorgungsauftrag wurde auf Herrn Prof. Dr. D. übertragen und gleichzeitig wurde die gemeinsame Tätigkeit des Antragstellers mit Herrn Prof. Dr. D. in einer Berufsausübungsgemeinschaft zum 01.04.2012 genehmigt. Herr Prof. Dr. D. ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Prof. Dr. D. kündigte im Dezember 2012 den Gesellschaftsvertrag zum 30.06.2013 und schied aus der Gemeinschaftspraxis aus. Der Zulassungsausschuss genehmigte Herrn Prof. Dr. D. die Verlegung seines hälftigen Vertragsarztsitzes nach X-Stadt.
Der Antragsteller beantragte mit Schreiben vom 23.02.2013 beim Zulassungsausschuss eine Sonderbedarfszulassung für einen hälftigen Versorgungsauftrag. Er wies auf die geplante Verlegung des Vertragsarztsitzes von Herrn Prof. Dr. D. hin und auf ein weit über dem zugeteilten Regelleistungsvolumen und dem Fachgruppendurchschnitt liegendes Patientenaufkommen. Dies habe sich durch den Tod eines Kollegen in G-Stadt noch erhöht. Herr Prof. Dr. D. werde auch der Fachgruppe Orthopädie und nicht der Fachgruppe Chirurgie zugerechnet. Die Patienten würden wie im jetzigen Umfang die Praxis in A-Stadt aufsuchen, zumal die umliegenden Kollegen keine weiteren chirurgisch-unfallchirurgischen Patienten aufnehmen könnten. Um den lokal bestehenden Versorgungsbedarf chirurgisch-unfallchirurgischer Patienten am Standort A-Stadt weiterhin in dem Maß gewährleisten zu können, bitte er um die hälftige Sonderbedarfszulassung zum 01.07.2013.
Die zu 1) beigeladene Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KVH) empfahl unter Datum vom 30.04.2013, den Antrag abzulehnen. Sie führt aus, nach den neuen Beschlüssen des Landesausschusses für Ärzte und Krankenkassen vom 15.11.2012 sei der Planungsbereich Hochtaunuskreis gesperrt. Freie Sitze für Chirurgen seien nicht vorhanden. Der chirurgische Versorgungsgrad betrage 237,7 %. Im Planungsbereich Hochtaunuskreis mit 228.332 Einwohnern (Stand: 31.12.2011) seien einschließlich der Praxis des Antragstellers neun chirurgische Praxen ansässig, innerhalb derer zwölf Chirurgen auf 11,5 Sitzen sowie ein plastischer Chirurg niedergelassen seien. Im Rahmen der Bedarfsanalyse seien alle niedergelassenen Chirurgen im Planungsbereich Hochtaunuskreis angeschrieben und um eine Stellungnahme zur Bedarfssituation gebeten worden. Es sei gefragt worden, ob freie Kapazitäten in der Praxis vorhanden seien, wie hoch die Wartezeiten seien und welche chirurgischen Leistungen in der Praxis erbracht würden. Zudem sei die Möglichkeit zur allgemeinen Beurteilung der Versorgung gegeben worden. Insgesamt hätten acht Ärzte eine Stellungnahme abgegeben. Alle Ärzte hätten angegeben, das chirurgisch-unfallchirurgische Behandlungsspektrum einschließlich Proktologie, Chirotherapie und ambulanten Operationen abzudecken und dass sie eine Sonderbedarfszulassung eines Chirurgen nicht für notwendig hielten. Freie Kapazitäten seien vorhanden. Notfallversorgung erfolge sofort. Bei planbaren Terminen beliefen sich die Wartezeiten auf 2 bis 7 Tage. Im 6 km entfernen C-Stadt seien drei chirurgische Praxen, im 8 km entfernten D-Stadt seien zwei chirurgische Praxen, in E-Stadt (19 km entfernt) seien zwei chirurgische Praxen und in F-Stadt (16 km entfernt) sei eine chirurgische Praxis ansässig. Die Analyse der Abrechnungsdaten der niedergelassenen Chirurgen bestätige die Angaben über die freien Kapazitäten. Konkret stellten sich die Zahlen wie folgt dar:
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Fallzahlen |
Quartal IV/11 |
Quartal I/12 |
Quartal II/12 |
Quartal III/12 |
Fachgruppendurchschnitt Chirurgen |
586 |
581 |
597 |
551 |
Arzt 1 |
333 |
42... |