Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit einer einstweiligen Anordnung. Medizinisches Versorgungszentrum. Erbringung aller ärztlichen Leistungen am Vertragsarztsitz. keine ausschließliche Leistungserbringung in Zweigpraxis
Leitsatz (amtlich)
1. Ein erneut gestellter und bereits zurückgewiesener Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unzulässig.
2. Ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) muss am Vertragsarztsitz alle ärztlichen Leistungen erbringen, um fachübergreifend tätig zu sein. Leistungen eines Fachgebiets können nicht ausschließlich in einer Zweigpraxis erbracht werden. Für die Präsenzpflicht am Vertragsarztsitz im Verhältnis zur Zweigpraxis gilt für ein MVZ die Maßgabe, dass die angegebenen Mindestzeiten für den Versorgungsauftrag des MVZ insgesamt unabhängig von der Zahl der beschäftigten Ärzte anzuwenden sind (§ 17 Abs 1a S 4 BMV-Ä/EKV-Ä). Es reicht aus, dass die Summe der Tätigkeitszeiten aller am Vertragsarztsitz tätigen Ärzte alle Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes zeitlich insgesamt überwiegen (Bestätigung von SG Marburg vom 23.11.2007 - S 12 KA 465/07 ER = GesR 2008, 96 und vom 22.02.2008 - S 12 KA 47/08 ER).
Tenor
1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig die Tätigkeit in dem Fachgebiet Gynäkologie an einem weiteren Ort in der C-Straße 1-5 in C, längstens bis zu einer Entscheidung des Sozialgerichts Marburg zum Az.: S 12 KA 45/08 in einem Umfang von 18 Wochenstunden zu gestatten.
2. Der Antragstellerin wird aufgegeben, an ihrem Vertragsarztsitz in A-Stadt, A-Straße, in einem Umfang von 20 Wochenstunden tätig zu sein.
3. Der Antragstellerin wird weiter aufgegeben, ein Tagebuch unter Angabe der jeweiligen Arbeitszeiten über die Verteilung der gynäkologischen Tätigkeit am Vertragsarztsitz und dem weiteren Ort zu führen und der Antragsgegnerin bis zum 5. des nachfolgenden Monats vorzulegen sowie bei der Erbringung und Abrechnung einer Leistung den jeweiligen Ort der Leistungserbringung mit einer Betriebsstättennummer zu kennzeichnen.
4. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen.
5. Die Antragsgegnerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin und die Gerichtskosten jeweils zu 1/4 zu tragen. 3/4 der Gerichtskosten hat die Antragstellerin zu tragen.
6. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens, um die vorläufige Genehmigung der vertragsärztlichen Tätigkeit an einem weiteren Ort.
Die Antragstellerin ist als Medizinisches Versorgungszentrum mit Praxissitz in der A Straße, A-Stadt, zur vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen. In ihr waren zunächst ein Facharzt für Nuklearmedizin und ein Facharzt für Radiologie angestellt.
Mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vom 30.01.2007 gab dieser dem Antrag der Antragstellerin auf Übernahme gemäß des § 103 Abs. 4 SGB V ausgeschriebenen Vertragsarztsitzes des Frauenarztes D, C, C-Straße, Hochtaunuskreis statt. Ferner stellte der Zulassungsausschuss fest, dass die vertragsärztliche Tätigkeit durch die ab 01.02.2007 in Vollzeit bei der Antragstellerin mit einer wöchentlichen Regelarbeitszeit von 38 Stunden beschäftigte angestellte Frauenärztin E weitergeführt werde. Ferner wurde Frau E mit Wirkung zum 01.02.2007 zur ärztlichen Leiterin des Medizinischen Versorgungszentrum Taunus bestellt.
Die Antragstellerin beantragte unter Datum vom 06.03.2007 die Genehmigung der vertragsärztlichen Tätigkeit an einem weiteren Ort mit den Fachgebieten Radiologie und Gynäkologie am Sitz der übernommenen gynäkologischen Praxis. Zur Begründung führte sie aus, die Praxis Dr. D sei mit etwa 1 000 Patienten im Quartal und einer belegärztlichen Tätigkeit an den JB.Kliniken, Krankenhaus C, für die bedarfsgerechte Versorgung der Versicherten in C und im D-Land - dem Land des ehemaligen Landkreises Hochtaunus/C mit 7 Städten und Gemeinden und ca. 70 000 Einwohnern - wesentlich und notwendig. Eine Fortführung der Tätigkeit in den Räumen der Praxis würde daher die Versorgung der Versicherten an dem Ort des Praxissitzes verbessern bzw. aufrechterhalten. Neben der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung sei die belegärztliche bzw. konsiliarische Tätigkeit am Krankenhaus C vorgesehen. Ein Verlust des gynäkologischen Angebots an diesem Ort würde nicht nur zu einer Unterversorgung, sondern auch zu einer erheblichen Erschwerung der Erfüllung des Versorgungsauftrages des Krankenhauses als Notfallstandort führen. Durch das Angebot des MVZ werde die Versorgung innerhalb der sprechstundenfreien Zeiten und die gynäkologische Notdienstversorgung sichergestellt. Die Situation im Fachgebiet Radiologie stelle sich im Hochtaunuskreis so dar, dass von den sieben im Hochtaunuskreis vorhandenen vertragsärztlichen Zulassungen sechs bei der Gemeinschaftspraxis XY. und Koll. in A Stadt und eine in ihrem MVZ betrieben we...