Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragspsychotherapeutische Versorgung. Berufungsausschuss. Prüfung eines lokalen Sonderbedarfs im Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. Abstellen auf sein Erfahrungswissen. besondere Sachkunde bzgl Versorgungssituation. Beisitzerin des Berufungsausschusses
Leitsatz (amtlich)
Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Berufungsausschuss bei der Prüfung eines lokalen Sonderbedarfs im Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie auf in noch höherem Maße wohnortnahe Angebote und bei der Prüfung der Aussagen niedergelassener Psychotherapeuten auf sein Erfahrungswissen abstellt, dass nicht alle Psychotherapeuten den Versorgungsauftrag vollständig ausführen. Es besteht eine besondere Sachkunde bzgl der Versorgungssituation, wenn eine Beisitzerin des Berufungsausschusses die Genehmigungspraxis bzgl der Anträge auf Kostenerstattung kennt.
Tenor
1. Es wir die sofortige Vollziehung des Beschlusses des Antragsgegners bis zu einer Entscheidung der Kammer im Hauptsacheverfahren mit Aktenzeichen: S 12 KA 642/11 angeordnet.
2. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
3. Die Beigeladene zu 1) hat der Antragstellerin ¾ der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und ¾ der Gerichtskosten zu tragen. ¼ der Gerichtskosten hat die Antragstellerin zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
4. Der Streitwert wird auf 16.375,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens um eine Sonderbedarfszulassung der Antragstellerin als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin in A-Stadt, UG.Kreis.
Die 1974 geborene und jetzt 37-jährige Antragstellerin wurde im Jahr 2009 als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin approbiert. Sie ist berechtigt, die Richtlinienverfahren tiefenpsychologisch fundierte und analytische Therapie auszuüben.
Sie beantragte mit Schreiben vom 11.06.2009 die Sonderbedarfszulassung in A-Stadt (UG.Kreis) zur vertragsärztlichen Versorgung als Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin. Sie wies auf ihre Approbation vom 14.05.2009 und die Eintragung in das Psychotherapeutenregister hin. Weiter führte sie aus, es bestehe eine Unterversorgung in A-Stadt und im gesamten UG.Kreis.
Die zu 1) beigeladene Kassenärztliche Vereinigung Hessen führte unter Datum vom 05.10.2009 aus, der Planungsbereich UG.Kreis sei für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten gesperrt. Der Versorgungsgrad betrage 103,88 %. Der Planungsbereich habe 407.815 Einwohner und es seien zwölf Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten tätig. Ein Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut mit der Genehmigung tiefenpsychologisch fundierte und analytische Psychotherapie für Kinder- und Jugendliche in A-Stadt verfüge über 28 freie Therapieplätze. Die Wartezeiten bis zum Erstgespräch betrügen maximal eine Woche und bis zum Beginn der Therapie zwei Wochen. Eine weitere Psychotherapeutin mit gleicher Qualifikation verfüge über fünf freie Therapieplätze (nachmittags). Für das Erstgespräch gebe es keine Wartezeiten. Die Wartezeiten bis zum Therapiebeginn würden vier Wochen betragen. Eine Psychotherapeutin mit der Genehmigung tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie für Kinder und Jugendliche in A-Stadt verfüge über zwei Therapieplätze. Das Erstgespräch könne kurzfristig durchgeführt werden. Die Wartezeiten bis zum Therapiebeginn seien unterschiedlich. Demnach bestehe kein lokaler und besonderer Versorgungsbedarf. Sie empfehle die Antragsablehnung.
Die Antragstellerin nahm hierzu unter Datum vom 04.11.2009 ausführlich Stellung und wies darauf hin, aufgrund ihrer langjährigen beruflichen Erfahrung und Ausbildung wisse sie, dass es im gesamten Planungsbereich keine niedergelassenen Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten gebe, an die überwiesen werden könne. Betrachte man die von ihr erstellte Tabelle mit den sechs größten Städten des Planungsbereiches, so werde deutlich, dass gerade A-Stadt am schlechtesten versorgt sei. Dies gelte auch für einen Vergleich mit anderen hessischen Städten. Auch sei der gesamte Planungsbereich wesentlich schlechter als andere Planungsbereiche versorgt.
Der Zulassungsausschuss/Psychotherapie bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen lehnte mit Beschluss vom 03.12.2009 den Antrag auf Zulassung ab. Er schloss sich im Wesentlichen dem Ergebnis der Bedarfsanalyse der Beigeladenen zu 1) an.
Hiergegen legte die Antragstellerin am 14.05.2010 Widerspruch ein. Eine Befragung der niedergelassenen Psychotherapeuten reiche wegen des Konkurrenzverhältnisses nicht aus. Soweit ein Psychotherapeut 28 freie Therapieplätze angegeben habe, dürfte angesichts der Therapiekapazitäten davon ausgegangen werden, dass dieser überhaupt keine Patienten habe. Bei einer Psychotherapeutin mit Doppelzulassung sei nicht klar, mit welchem Anteil ihrer Arbeitszeit sie an der psychotherapeutischen Versorgung im Kinder- und Jugendlichenbereich teilnehme.
Die Beigeladene zu 1) gab unter Datum vom 10.09.2010 eine weitere Stellu...