Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensgebühr bei vorausgegangener Tätigkeit im Verwaltungsverfahren

 

Orientierungssatz

Vorausgegangen im Sinne der Nr 3103 VV RVG ist ein Verwaltungsverfahren bzw. Widerspruchsverfahren nur dann, wenn es abgeschlossen ist (vgl. SG Lüneburg vom 18.4.2007 - S 25 SF 34/06 = AGS 2007, 409).

 

Gründe

Die am 30.11.2007 erhobene Erinnerung des Erinnerungsführers, mit der sinngemäß beantragt wurde,

unter entsprechender Aufhebung des Festsetzungsbeschlusses des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 31.10.2007 die Verfahrensgebühr auf einen Betrag von € 170 zu reduzieren,

ist unbegründet.

Der Erinnerungsführer hat keinen Anspruch darauf, dass das Gericht die vom Urkundsbeamten in dessen Beschluss vom 31.10.2007 bestimmte Gebühr herabsetzt. Die Höhe der dort festgesetzten Gebühr ist nicht zu beanstanden, da sie den gesetzlichen Vorgaben entspricht.

Die vom Erinnerungsgegner getroffenen Bestimmung, zu seinen Gunsten eine Verfahrensgebühr in Höhe von € 290 zuzüglich der Auslagenpauschale in Höhe von € 20 sowie der darauf entfallenden Mehrwertsteuer (€ 58,90), zusammen € 368,90, festzusetzen, war für den Urkundsbeamten verbindlich, denn sie war nicht unbillig. Dabei geht das Gericht davon aus, dass eine vom Rechtsanwalt zu hoch angesetzte Gebühr grundsätzlich dann noch nicht unbillig ist, wenn sie einen “Toleranzrahmen„ von 20 % nicht überschreitet, also nicht mehr als 20 % nach “oben„ von den angemessenen Gebühren abweicht. Ob der “Toleranzrahmen„ dann nicht zugunsten eine Rechtsanwalts eingreift, wenn er die angemessene Gebühr bewusst und ohne nachvollziehbaren Grund überschreitet, braucht hier nicht entschieden zu werden, da ein solcher Fall nicht vorliegt.

Unter Einbeziehung aller in § 14 RVG aufgeführten Kriterien hält das Gericht eine Gebühr in Höhe der Mittelgebühr für angemessen. Dabei bestimmt sich die Gebühr nach Auffassung des Gerichts nach Nr. 3102 VV RVG. Dort ist ein Gebührenrahmen von € 40 bis € 460 vorgesehen, so dass sich für die Mittelgebühr ein Betrag von € 250 errechnet.

Nicht zugrunde zu legen ist der Gebührenrahmen der Nr. 3103 VV RVG. Nach dieser Bestimmung reduziert sich der Rahmen auf € 20 bis € 320, wenn “eine Tätigkeit (des Rechtsanwaltes) im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsaktes dienenden Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist„. “Vorausgegangen„ in diesem Sinne ist ein Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren aber nur dann, wenn es abgeschlossen ist (so auch SG Lüneburg, Beschluss vom 18.04.2007, Az. S 25 SF 34/06, Rdnr. 14). Vor Erlass des Ausgangs- bzw. Widerspruchsbescheides ist der niedrigere Gebührenrahmen daher nicht anwendbar.

Eine solche Auslegung ist auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Vorschrift gerechtfertigt. Zwar können bei einem Tätigwerden des Rechtsanwaltes im Ausgangs- oder Widerspruchsverfahren die Synergieeffekte, die - wie der Erinnerungsführer zu Recht vorträgt - Grund für die Schaffung des reduzierten Gebührenrahmens waren, auch schon zu einem früheren Zeitpunkt eintreten. So mag es auch hier gewesen sein, da im Rahmen des Widerspruchsverfahrens Akteneinsicht genommen und der Widerspruch bereits mit Schriftsatz vom 25.01.2007 ausführlich begründet wurde, der Erinnerungsgegner sich also schon vor Anhängigmachung des Eilantrages (der am 05.02.2007 einging) ersichtlich ausführlich mit der Sache befasst hat. Soweit man für die Anwendung der Gebühr aus Nr. 3103 VV RVG aber nicht ein bereits abgeschlossenes Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren verlangt, sondern es für ausreichend hält, dass ein solches Verfahren begonnen wurde (z.B. Einlegung eines unbegründeten Widerspruchs zur Fristwahrung), würden auch Konstellation, bei denen der Rechtsanwalt im Rahmen des Eilverfahrens überhaupt keinen Aufwand erspart hat, automatisch dem geringeren Gebührenrahmen unterfallen. Das Gericht hält es insofern für sachgerechter, mögliche Synergieeffekte, die für den Anwalt etwa im Rahmen eines parallel betriebenen Widerspruchs entstehen, bei der Bemessung der Gebühr nach Nr. 3102 VV RVG zu berücksichtigen (in diesem Sinne auch SG Lüneburg, Beschluss vom 18.04.2007, Rdnr. 14).

Da das Widerspruchsverfahren (nur dort war der Erinnerungsgegner tätig) bei Eingang des Eilantrages noch nicht abgeschlossen war, scheidet hier die Anwendung der Nr. 3103 VV RVG aus.

Auf die Entscheidung der Frage, ob Nr. 3103 VV RVG auf Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes überhaupt anwendbar ist (sehr streitig; dafür: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschuss vom 03.12.2007, Az. L 20 B 66/07 AY, Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 28.02.2007, Az. L 1 B 467/06 SK, Rdnr. 9; SG Reutlingen, Beschluss vom 12.09.2007, Az. S 2 AS 3109/07, Rdnr. 22; Bayr. LSG, Beschluss vom 18.01.2007, Az. L 15 B 224/06 AS KO, Rdnr. 20; SG Aurich, Beschluss vom 09.05.2006, Az. S 25 SF 20/05 AS, Rdnr. 11f; dagegen: SG Duisburg, Beschluss vom 15.05.2007, Az. S 7 AS 249/06 ER, Rdnr. 13 m.w.N.; SG Frankfurt, Beschluss vom 31.07.2006, Az. S 20 SF 8/06 AY, Rdnr. ...

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