Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltskosten. Verfahrensgebühr: Abgrenzung des § 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 3102 von § 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 3103. qualifizierte anwaltliche Tätigkeit im vorangegangenem Verwaltungsverfahren. Verfahrensstadium
Leitsatz (amtlich)
Die Anwendung der ermäßigten Verfahrensgebühr nach § 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 3103 VV RVG im sozialgerichtlichen Eilverfahren setzt voraus, dass dem Gerichtsverfahren eine qualifizierte anwaltliche Tätigkeit im Verwaltungsverfahren vorausgegangen und dieses bereits abgeschlossen ist.
Tenor
Auf die Erinnerung wird die Kostenfestsetzung vom 8. Juni‚2006 dahingehend abgeändert, dass die von der Staatskasse an den Erinnerungsführer zu gewährende Vergütung für das Verfahren S 4 R 243/05 ER auf insgesamt 765,60 € festgesetzt wird.
Die Beschwerde gegen diesen Beschluss wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Höhe der dem Erinnerungsführer aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung für das Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Marburg unter dem Aktenzeichen S 4 R 243/05 ER. Im Streit steht noch die Höhe der Verfahrensgebühr.
In dem genannten Ausgangsverfahren wurde die Antragstellerin von dem Erinnerungsführer anwaltlich vertreten. Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 21. November 2005 (bei Gericht eingegangen am 29. November 2005) beantragte die damalige Antragstellerin zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Erinnerungsführers. Mit Beschluss des Gerichts vom 22. Dezember 2005 wurde dem Prozesskostenhilfeantrag vollumfänglich stattgegeben. In der Sache wurde mit den Beteiligten am 13. April 2006 ein Termin zur Erörterung des Sachverhalts durchgeführt. In dieser Sitzung einigten sich die damaligen Prozessbeteiligten über den Streitgegenstand und erklärten das Antragsverfahren übereinstimmend für erledigt. Mit Schriftsatz vom 13. April 2006 (bei Gericht eingegangen am 19. April 2006) beantragte der Erinnerungsführer Gebühren und Auslagen für das Ausgangsverfahren in Höhe von insgesamt 870,00 € festzusetzen. Im Einzelnen machte er folgende Positionen geltend:
- Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG = 250,00 €,
- Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG = 200,00 €,
- Einigungsgebühr gemäß Nr. 1005 VV RVG = 280,00 €,
- Post- und Telekommunikationsentgeltpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG = 20,00 €,
- 16 % Umsatzsteuer = 120,00 €,
Am 8. Juni 2006 nahm der zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Kostenfestsetzung für das Ausgangsverfahren vor. Dabei wich er von dem Kostenfestsetzungsantrag des Erinnerungsführers ab und setzte insgesamt einen Vergütungsanspruch in Höhe von 672,80 € fest. Dabei legte er folgende Gebührentatbestände zugrunde:
- Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103 VV RVG = 170,00 €,
- Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG = 200,00 €,
- Einigungsgebühr gemäß Nr. 1006 VV RVG = 190,00 €,
- Post- und Telekommunikationsentgeltpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG = 20,00 €,
- 16 % Umsatzsteuer = 92,80 €,
Mit Schriftsatz vom 20. Juni 2006 (bei Gericht eingegangen am 22. Juni 2006) legte der Erinnerungsführer "gegen die Kostenfestsetzung vom 8. Juni 2006 Rechtsmittel ein, soweit dort die Verfahrensgebühr nur auf 170,00 € festgesetzt wurde".
Der zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Das Gericht hat den Erinnerungsgegner unter Übersendung der Gerichtsakte des Ausgangsverfahrens um Stellungnahme zu dieser Kostensache gebeten. Nach mehreren zwischenzeitlichen Sachstandsmitteilungen ist der Erinnerungsgegner mit Schriftsatz vom 23. Mai 2008 der Erinnerung entgegengetreten.
Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß, die Kostenfestsetzung vom 8. Juni 2006 dahingehend abzuändern, dass die von der Staatskasse an den Erinnerungsführer zu gewährende Vergütung für das Verfahren S 4 R 243/05 ER auf insgesamt 765,60 € festgesetzt wird.
Der Erinnerungsgegner beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes und insbesondere wegen des Vorbringens der Beteiligten zur Begründung ihrer Anträge wird auf die Gerichtsakte verwiesen. Darüber hinaus wird die beigezogene Gerichtsakte des Ausgangsverfahrens vor dem Sozialgericht Marburg (Aktenzeichen: S 4 R 243/05 ER) in Bezug genommen. Beide Akten lagen der Entscheidungsfindung zugrunde.
II.
Die Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung vom 8. Juni 2006 ist zulässig. Sie ist nach § 56 Abs. 1 S. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) statthaft. Der Erinnerungsführer ist der Antragstellerin des Ausgangsverfahren durch Beschluss des Gerichts vom 22. Dezember 2005 beigeordnet worden und daher zur Erhebung des Rechtsbehelfs berechtigt. Er hat die Erinnerung in zulässiger Weise auf die Festsetzung der Verfahrensgebühr beschränkt (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl. 2006, § 56 RVG, Rn. 7). Diese wirkt sich auch rechnerisch auf das Gesamtergebnis der festgesetzten Vergütung aus, so dass der Erinnerungsführer insoweit beschwert ist.
Die Erinnerung ist auch begründet.
Die angegriffene...