Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. einstweiliges Rechtsschutzverfahren. Verfahrensgebühr. zur Anwendbarkeit des verminderten Gebührenrahmens der Nr 3103 RVG-VV. vorangegangene Tätigkeit im Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren. Synergieeffekt. Arbeitserleichterung
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Anwendbarkeit des reduzierten Gebührenrahmens gem Nr 3103 VV RVG (juris: RVG-VV) genügt nicht bereits irgendein innerer - zeitlicher oder sachlicher - Zusammenhang zwischen der anwaltlichen Tätigkeit im Verwaltungs-/Widerspruchsverfahren und im gerichtlichem (Eil)Verfahren. Zusätzlich müssen durch eine dem gerichtlichen Verfahren "vorausgegangene" Tätigkeit im Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren Vorkenntnisse über den Sachverhalt gewonnen worden sein, die sich nachfolgend im gerichtlichen Verfahren als "Synergieeffekte" arbeitserleichternd für den Anwalt auswirken (im Anschluss an LSG Darmstadt vom 25.5.2009 - L 2 SF 50/09 E).
2. Liegen lediglich wechselseitige Synergieeffekte durch zeitlich parallele Bearbeitung von Verwaltungs-/Widerspruchsverfahren und gerichtlichem (Eil)Verfahren vor oder werden Vorkenntnisse über den Sachverhalt aus dem gerichtlichen (Eil)Verfahren nachträglich etwa zur Begründung eines Widerspruchs verwendet, verbleibt es bei der Geltung des Gebührenrahmens gem Nr 3102 VV RVG.
Tenor
Die Vergütungsfestsetzung vom 19. Oktober 2010 wird dahingehend abgeändert, dass die dem Erinnerungsführer für seine Tätigkeit im Verfahren des SG Fulda S 12 AS 201/10 ER aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf insgesamt 987,70 EUR festgesetzt wird.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über den anzuwendenden Gebührenrahmen der Verfahrensgebühr für die Vergütung des Erinnerungsführers aufgrund gewährter Prozesskostenhilfe.
In dem zugrunde liegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes S 12 AS 201/10 ER wurde den dortigen Antragstellern (im Folgenden nur: Antragsteller) mit Beschluss vom 14. September 2010 Prozesskostenhilfe gewährt und der Erinnerungsführer als Prozessbevollmächtigter beigeordnet. Der das Eilverfahren einleitende Antragsschriftsatz des Erinnerungsführers, mit dem Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II geltend gemacht wurden, datiert vom 22. Juli 2010 und ging am Folgetag bei dem Sozialgericht Fulda ein. Hintergrund dieses Eilantrags war, dass der Antragsgegner des Ausgangsverfahrens (im Folgenden nur: Antragsgegner) mit zwei Bescheiden vom 16. Juni 2010 zuvor erteilte Leistungsbescheide aufgehoben und SGB II-Leistungen für die Zukunft abgelehnt hatte.
Am 16. Juli 2010 hatte der Erinnerungsführer bereits gegenüber dem Antragsgegner per Faxschreiben namens der Antragsteller Widerspruch gegen die vorbezeichneten Bescheide vom 16. Juni 2010 erhoben und angekündigt, dass eine Begründung des Widerspruchs nachgereicht werde. Diese Begründung datiert sodann vom 23. Juli 2010 und ging per Fax am selben Tag bei dem Antragsgegner ein.
Das Ausgangsverfahren S 12 AS 201/10 endete ausweislich des entsprechenden Sitzungsprotokolls vom 14. September 2010 durch richterlich protokollierten Vergleich, in dessen Rahmen die Beteiligten dahin übereinkamen, dass sie einander keine Kosten zu erstatten haben.
Unter dem 22. September 2010 beantragte sodann der Erinnerungsführer, seine Vergütung gegenüber der Staatskasse wie folgt festzusetzen:
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Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG |
300,00 EUR |
Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV RVG |
90,00 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG |
220,00 EUR |
Einigungsgebühr, Nr. 1006 VV RVG |
250,00 EUR |
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
880,00 EUR |
19 % USt, Nr. 7008 VV RVG |
167,20 EUR |
Summe |
1.047,20 EUR |
Demgegenüber setzte der Urkundsbeamte mit Datum vom 19. Oktober 2010 die Vergütung lediglich auf 786,59 EUR fest und begründete die Absetzung damit, dass die zu gewährende Verfahrensgebühr aus dem Gebührenrahmen gem. Nr. 3103 VV RVG zu bestimmen sei. Denn für dessen Anwendbarkeit sei ausreichend, dass der Erinnerungsführer im Verwaltungsverfahren tätig geworden sei und zu dem gerichtlichen Verfahren ein innerer Zusammenhang bestehe; ein vorhergehender Abschluss des gerichtlichen Verfahrens sei nicht erforderlich. Wegen der Bedeutung der Sache für die Antragsteller sei jedoch die Mittelgebühr nach Nr. 3103 VV RVG, also 170 EUR (zzgl. des Mehrvertretungszuschlags) zugrunde zu legen. Die Einigungsgebühr sei mit 200 EUR angemessen zu bestimmen.
Hiergegen hat der Erinnerungsführer mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2010 Erinnerung eingelegt und wendet sich gegen die Anwendung des Gebührenrahmens nach Nr. 3103 VV RVG anstelle Nr. 3102 VV RVG. Zur Begründung verweist er auf, dass ihn die Antragsteller am 15. Juli 2010 erstmals konsultiert hätten. Hier habe er zur Einleitung eines Eilverfahrens geraten, wobei zuvor nach Sichtung des Streitstoffes eine eidesstattliche Versicherung habe formuliert werden sollen, was sodann am 21. Juli 2010 erfolgt sei.
Dass der Widerspruch gegen die Bescheide vom 16. Juni 2010 bereits am 16. Juli...