Entscheidungsstichwort (Thema)
Medizinisches Versorgungszentrum. fachübergreifende Tätigkeit. Präsenzpflicht am Vertragsarztsitz im Verhältnis zur Zweigpraxis. Übernahme einer Praxis als Praxisnachfolger
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) muss am Vertragsarztsitz alle ärztlichen Leistungen erbringen, um fachübergreifend tätig zu sein. Leistungen eines Fachgebiets können nicht ausschließlich in einer Zweigpraxis erbracht werden.
2. Für die Präsenzpflicht am Vertragsarztsitz im Verhältnis zur Zweigpraxis gilt für ein MVZ die Maßgabe, dass die angegebenen Mindestzeiten für den Versorgungsauftrag des MVZ insgesamt unabhängig von der Zahl der beschäftigten Ärzte anzuwenden sind (§ 17 Abs 1a S 4 BMV-Ä/EKV-Ä). Es reicht aus, dass die Summe der Tätigkeitszeiten aller am Vertragsarztsitz tätigen Ärzte alle Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes zeitlich insgesamt überwiegen.
3. Übernimmt ein MVZ eine bestehende Praxis als Praxisnachfolgerin, dann steht fest, dass ein Versorgungsauftrag im Rahmen der Praxisnachfolge besteht. Insoweit besteht auch grundsätzlich ein Anspruch auf Genehmigung einer Zweigpraxis.
Tenor
1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig die Tätigkeit in den Fachgebieten Radiologie und Gynäkologie an einem weiteren Ort in der X-Straße in X-Stadt, längstens bis einen Monat nach Zustellung einer Entscheidung der Antragsgegnerin über den Widerspruch der Antragstellerin mit Datum vom 20. und 27.08.2007, zu gestatten. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin und die Gerichtskosten jeweils zu 5/6 zu tragen. 1/6 der Gerichtskosten hat die Antragstellerin zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens, um die vorläufige Genehmigung der vertragsärztlichen Tätigkeit an einem weiteren Ort.
Die Antragstellerin ist als medizinisches Versorgungszentrum mit Praxissitz in der A-Straße, A-Stadt, zur vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen. In ihr waren zunächst ein Facharzt für Nuklearmedizin und ein Facharzt für Radiologie angestellt.
Mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vom 30.01.2007 gab dieser dem Antrag der Antragstellerin auf Übernahme gemäß des § 103 Abs. 4 SGB V ausgeschriebenen Vertragsarztsitzes des Frauenarztes C., A-Straße, A-Stadt, AA-Kreis statt. Ferner stellte der Zulassungsausschuss fest, dass die vertragsärztliche Tätigkeit durch die ab 01.02.2007 in Vollzeit bei der Antragstellerin mit einer wöchentlichen Regelarbeitszeit von 38 Stunden beschäftigte angestellte Frauenärztin D. weitergeführt werde. Ferner wurde Frau D. mit Wirkung zum 01.02.2007 zur ärztlichen Leiterin des Medizinischen Versorgungszentrum A-Kreis bestellt.
Die Antragstellerin beantragte unter Datum vom 06.03.2007 die Genehmigung der vertragsärztlichen Tätigkeit an einem weiteren Ort mit den Fachgebieten Radiologie und Gynäkologie am Sitz der übernommenen gynäkologischen Praxis. Zur Begründung führte sie aus, die Praxis Dr. E. sei mit etwa 1 000 Patienten im Quartal und einer belegärztlichen Tätigkeit an den JB.Kliniken, Krankenhaus U-Stadt, für die bedarfsgerechte Versorgung der Versicherten in U-Stadt und im U-Land - dem Land des ehemaligen Landkreises AA./U-Stadt mit 7 Städten und Gemeinden und ca. 70 000 Einwohnern - wesentlich und notwendig. Eine Fortführung der Tätigkeit in den Räumen der Praxis würde daher die Versorgung der Versicherten an dem Ort des Praxissitzes verbessern bzw. aufrechterhalten. Neben der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung sei die belegärztliche bzw. konsiliarische Tätigkeit am Krankenhaus U-Stadt vorgesehen. Ein Verlust des gynäkologischen Angebots an diesem Ort würde nicht nur zu einer Unterversorgung, sondern auch zu einer erheblichen Erschwerung der Erfüllung des Versorgungsauftrages des Krankenhauses als Notfallstandort führen. Durch das Angebot des MVZ werde die Versorgung innerhalb der sprechstundenfreien Zeiten und die gynäkologische Notdienstversorgung sichergestellt. Die Situation im Fachgebiet Radiologie stelle sich im AA-Kreis so dar, dass von den sieben im AA-Kreis vorhandenen vertragsärztlichen Zulassungen sechs bei der Gemeinschaftspraxis Q. und Koll. in A-Stadt und eine in ihrem MVZ betrieben werde. Das gesamte U-Land verfüge damit nicht über ein adäquates Angebot der ambulanten radiologischen Versorgung. Langfristig plane sie, in U-Stadt die radiologische Versorgung zu verbessern. Sie wäre auch bereit, ein nuklearmedizinisches Angebot zu etablieren. Die Versorgung in A-Stadt selbst sehe sie als ausreichend an, weshalb durch eine Verlegung des gynäkologischen Sitzes dort nur ein zusätzliches Angebot geschaffen werde. Ergänzend führte sie unter Datum vom 23.03.2007 aus, dass sie ihr Leistungsangebot im Bereich...