Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertrags(zahn)ärztliche Versorgung. Disziplinarrecht verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Disziplinarausschuss. Disziplinarmaßnahme. Ermessen. eingeschränkte gerichtliche Prüfung
Orientierungssatz
1. Gegen die grundsätzliche Geltung des Disziplinarrechts im Bereich des Vertrags(zahn)arztrechts sprechen keine Gesichtspunkte des Verfassungsrechts (vgl zB BSG vom 30.11.2016 - B 6 KA 38/15 R = BSGE 122, 112 = SozR 4-2500 § 75 Nr 18 RdNr 17 mwN).
2. Bei der Auswahl der Maßnahme ist der Disziplinarausschuss grundsätzlich berechtigt, nach seinem Ermessen zu handeln, sodass die Entscheidung insoweit nur einer eingeschränkten gerichtlichen Prüfung zugänglich ist.
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 7.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Geldbuße in Höhe von 2.000 €, den die Beklagte als Disziplinarmaßnahme wegen Verletzung vertragsärztlicher Behandlungspflichten verhängt hat.
Der Kläger ist als Zahnarzt für Kieferorthopädie zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Die beklagte Kassenzahnärztliche Vereinigung Hessen forderte unter Datum vom 16.02.2016 in sechs Behandlungsfällen die Behandlungsdokumentation unter Hinweis auf den vorliegenden Schriftwechsel an.
Die Beklagte verhängte mit Bescheid vom 22.07.2016 eine Disziplinarstrafe in Höhe von 2.500,- € wegen Verletzung vertragsärztlicher Behandlungspflichten. Zur Begründung wird im Einzelnen auf den Bescheid verwiesen.
Der Kläger legte hiergegen am 04.08.2016 Widerspruch ein und begründete diesen mit Schreiben vom 27.09.2016. Er trug vor, es treffe nicht zu, dass aus den Anträgen an die Krankenkasse geschlossen werden könne, Behandler würden eine beantragte Maßnahme für medizinisch notwendig erachten. Vielmehr könne der Patient respektive die Eltern ihn dazu verpflichten, seine Einschätzung, die Maßnahmen seien medizinisch nicht erforderlich, bei der für diese Entscheidung zuständigen staatlichen Behörde überprüfen zu lassen (Petitionsfreiheit), da der Patient selbst kein Antragsrecht besitze. Das Bundessozialgericht habe in seinem Nichtannahmebeschluss ausdrücklich dargelegt, dass die Versorgungspflicht nur dann eingreife, wenn die medizinische Notwendigkeit gegeben sei. Eine medizinische Notwendigkeit bestehe jedoch in der Kieferorthopädie in den seltensten Fällen. Eine Studie lege dar, dass medizinische Norm der Gebissgesundheit bestehe in einer Gebisssituation, wie sie von Natur aus nur bei 5% der Menschen vorkomme. Sie sei begründet, nicht in medizinischen Kriterien, sondern in dem Schönheitsideal einer Zahnbogenform resp. Okklusion. Er habe nicht gegen medizinische Notwendigkeiten verstoßen, sie hätten in den fraglichen Fällen zumindest objektiv nicht vorgelegen. Die Notwendigkeit der Maßnahmen sei im Einzelfall darzulegen und wissenschaftlich zu untermauern. Eine gesetzliche Fiktion einer Notwendigkeit reiche jedenfalls nicht aus. Er habe in diversen Anschreiben an die Beklagte dargelegt, dass es sich nicht nur um ein Anzeige-, sondern um ein Genehmigungsverfahren handele. Ferner nahm er zu den einzelnen Fällen Stellung, worauf im Einzelnen verwiesen wird. Der Kläger fasste unter Datum vom 18.10.2016 sein Vorbringen nochmals zusammen und reichte die Studie von Bettin/Spassov/Werner ein. Der Kläger machte unter Datum vom 22.03.2017 weitere Ausführungen zu den Einzelfällen, worauf ebenfalls verwiesen wird.
Der Disziplinarausschuss führte mit dem Kläger am 22.03.2017 eine mündliche Verhandlung durch.
Mit Bescheid vom 07.04.2017, dem Kläger zugestellt am 20.04., wurde die zunächst ausgesprochene Geldbuße in Höhe von 2.500,- € auf 2.000,- € reduziert und dem Kläger die Kosten des Verfahrens auferlegt. Zur Begründung führte der Disziplinarausschuss aus, wegen mehrerer Verstöße gegen § 7 Abs. 1 EKV-Z i. V. m. § 2 Abs. 6 Anlage 15 des EKV-Z sowie gegen mehrere Verstöße gem. § 16 Abs. 4 BMV-Z sei gem. § 5 der Disziplinarordnung der Beklagten gegen den Kläger eine Disziplinarmaßnahme zu verhängen gewesen. Der Kläger habe gegen seine vertragszahnärztlichen Pflichten, die ihm auf Grund Gesetzes, der Satzung oder aus Vertrag oblägen, in erheblichen Maße verstoße. Gem. § 21 Ziffer 1 der Satzung der Beklagten könne eine Disziplinarmaßnahme verhängt werden, wenn ein Mitglied dem nach Gesetz, Satzung oder Vertrag obliegenden Pflichten nicht, oder nicht ordnungsgemäß erfüllt habe. In den Behandlungsfällen der Patientinnen B. C. und D. C. habe der Kläger eine Genehmigung für eine Therapieergänzung verlangt. Es bestehe aber keine Genehmigungspflicht der Krankenkassen für Therapieergänzungen. Die Vertragspartner des EKV-Z hätten für Kieferorthopädische Leistungen, die ohne Therapieänderung über das ursprünglich geplante hinausgingen, ein Anzeigeverfahren vorgesehen. Der Krankenkasse bleibe allein vorbehalten, diese Leistun...