Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung. Vertragsarzt. Festsetzung des Regelleistungsvolumens. Rechtsschutzbedürfnis
Leitsatz (amtlich)
Es bestehen Zweifel, ob eine Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses gegen die Festsetzung des Regelleistungsvolumens unzulässig ist (vgl LSG Darmstadt vom 28.11.2012 - L 4 KA 73/11), wenn die Kassenärztliche Vereinigung, obwohl der Vertragsarzt es versäumt hat, gegen die Honorarbescheide Widerspruch einzulegen, in der Vergangenheit auch die Verfahren über die Festsetzung eines Regelleistungsvolumens fortgeführt hat (vgl BSG vom 15.8.2012 - B 6 KA 38/11 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 1, juris RdNr 15f). Jedenfalls in den Fällen, in denen sich die Kassenärztliche Vereinigung auch im angefochtenen Widerspruchsbescheid nicht auf ein fehlendes Rechtsschutzinteresse des Klägers beruft, sondern diesen vielmehr materiellrechtlich über die Höhe seines Regelleistungsvolumens neu bescheidet, ist von einem weiterhin bestehenden Rechtsschutzbedürfnis auszugehen.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Verfristung der Widersprüche gegen die Bescheide zum Regelleistungsvolumen für die Quartale III und IV/09.
Der Kläger ist seit 01.07.2004 als Arzt für Allgemeinmedizin seit 01.04.1986 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen und nimmt an der hausärztlichen Versorgung teil.
Gegen die Honorarbescheide für die Quartale I bis IV/09 legte der Kläger mit Schreiben vom 20.08.2010 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.2011 wegen Verfristung als unzulässig zurückwies. Hiergegen legte der Kläger mit Datum vom 07.11.2011 erneut Widerspruch ein, den die Beklagte als Klage an das Gericht weiterleitete. Der Kläger trug vor, soweit er gegen bereits bestandskräftige Bescheide Widerspruch eingelegt habe, sei der Widerspruch als Antrag auf Rücknahme der Bescheide umzudeuten. Auf Anfrage des Gerichts erklärte er, für eine Weiterleitung an das Gericht und Umdeutung des weiteren Widerspruchs als Klage habe daher keine Veranlassung bestanden. Das Gericht trug daraufhin die zum Az.: S 12 KA 861/11 angelegte Klage wieder aus.
Die Beklagte setzte mit Bescheiden vom 27.05.2009 und 26.08.2009 das Regelleistungsvolumen des Klägers für die streitbefangenen Quartal III und IV/09 wie folgt fest:
|
Quartal |
RLV-relevante Fallzahl |
Fallwert |
Fallwertabstaffelung |
Altersstrukturquote |
Aufschlag fachgleiche BAG |
Regelleistungsvolumen |
III/09 |
456 |
40,84 |
1 |
1,0321 |
1 |
19.220,84 € |
IV/09 |
496 |
42,18 |
1 |
1,0377 |
1 |
21.710,01 € |
Der Kläger legte unter Datum vom 20.08.2010, bei der Beklagten am 24.08.2010 eingegangen, gegen alle bisher verfügten Regelleistungsvolumina und Quartalszahlungen ab I/09 bis III/10 Widerspruch ein und nahm Bezug auf bereits getätigte Schreiben, beginnend mit seinen Einsprüchen vom 29.01.2009, 20.03.2009 usw. über alle Quartale bis zu seinem Schreiben vom 01.07.2010. Er machte eine unzureichende Berücksichtigung seiner psychotherapeutischen Tätigkeit geltend. Hieraus habe er bisher einen Kassenumsatz von ca. 5.500,00 € pro Quartal erzielt. Über die Veränderungen sei er nur unzureichend informiert worden. In einem früheren Wirtschaftlichkeitsprüfverfahren sei seine therapeutische Tätigkeit anerkannt worden.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.2011 die Widersprüche für die beiden streitbefangenen Quartale als unzulässig zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Widersprüche seien verfristet. Der Kläger sei ordnungsgemäß belehrt worden, dass er innerhalb eines Monats Widerspruch einzulegen habe. Der Bescheid über die Zuweisung des Regelleistungsvolumens für das Quartal III/09 sei am 29.05.2009 zur Post gegeben worden, so dass am 01.06.2009 als bekannt gegeben gelte, die Widerspruchsfrist am 01.07.2009 geendet habe. Der Bescheid über die Zuweisung des Regelleistungsvolumens für das Quartal IV/09 sei am 26.08.2009 zur Post gegeben worden, so dass am 29.08.2009 als bekanntgegeben gelte und die Widerspruchsfrist am 29.09.2009 geendet habe. Er sei mit Schreiben vom 27.09.2010 auf die Verfristung hingewiesen worden. Einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe er nicht gestellt.
Hiergegen hat der Kläger am 07.11.2011 über die Beklagte die Klage erhoben. Er trägt vor, sein Widerspruch sei zulässig. Soweit er bereits gegen bestandskräftige Bescheide Widerspruch erhoben habe, sei dieser Widerspruch als Antrag auf Rücknahme der Bescheide umzudeuten und entsprechend zu bescheiden gewesen. Soweit dies nicht geschehen sei, liege ein diesen Antrag ablehnender Erstbescheid vor, der seinerseits mit dem Widerspruch anzufechten sei. Er verweist ferner auf seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren und trägt weiter vor, der Widerspruchsbescheid lasse nicht erkennen, welcher Gesamtbetrag (“Geldmenge„) zur Verteilung gestanden habe und worauf sich mithin das Regelleistungsvolumen ergebe. Er habe auch ei...