Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Rückübertragung bzw Abtretung nach § 52 Abs 2 S 3 BMV-Ä. Verjährungsfrist von 30 Jahren
Leitsatz (amtlich)
Die Rückübertragung bzw "Abtretung" nach § 52 Abs 2 Satz 3 BMV-Ä bewirkt nicht nur die Abtrennung des Teils der Gesamtforderung, der auf die einzelne Krankenkasse entfällt, sondern berechtigt auch die einzelne Krankenkasse, den auf sie entfallenden Teil der Gesamtforderung selbst gegenüber dem Arzt geltend zu machen. Der Verteilungsquote kommt insofern keine Außenwirkung zu, als diese nur das Innenverhältnis der Gläubiger der Forderungen gegenüber dem Arzt, also nur das Innenverhältnis der Krankenkassen betrifft, nicht aber das Verhältnis des Arztes zu der einzelnen Krankenkasse. Insofern bedarf es keiner besonderen Spezifizierung der einzelnen Forderung der Krankenkasse, sondern kommt es allein auf den Umfang der Rückübertragung bzw "Abtretung" an.
Orientierungssatz
Die Vorschrift des § 197 Abs 1 Nr 4 BGB ist über § 69 Abs 1 S 3 SGB 5 anwendbar, da das SGB 5 bzw das SGB überhaupt keine entsprechende Regelung trifft (vgl SG Marburg vom 1.6.2016 - S 12 KA 190/15 = juris).
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 17.935,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit 13.05.2016 zu zahlen.
2. Der Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 17.935,54 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Forderung aufgrund von Regressen wegen Verordnung von Arzneimitteln nach Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung im Zeitraum September 2006 bis 2009 in Höhe von 17.935,54 € nach einer Rückübertragung auf die Krankenkasse.
Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse. Der Beklagte war als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in C-Stadt zugelassen. Seine Zulassung endete am 21.06.2005 durch Entziehung.
Die Klägerin hat am 10.05.2016 die Klage über das SG Frankfurt a. M. erhoben, das mit Beschluss vom 03.06.2016 - S 1 SV 11/16 - die Klage an das SG Marburg verwiesen hat. Die Klägerin trägt zur Begründung vor, die beigeladene Kassenärztliche Vereinigung Hessen habe gegen den Beklagten für die Quartale I/95 bis IV/03 verschiedene zwischenzeitlich bestandskräftige Regresse festgesetzt. Die auf sie, die Klägerin, entfallenden Anteile habe die Kassenärztliche Vereinigung Hessen mit mehreren Schreiben vom 31.10.2012 an sie zur unmittelbaren Einziehung abgetreten. Mit ihrer Leistungsklage begehre sie einen Titel, mit dem sie den insgesamt auf sie entfallenden Regressbetrag liquidieren könne. Eine Grundlage für einen Vertrauensschutz gebe es nicht. Über evtl. Einbehalte seitens der Beigeladenen sei diese rechenschaftspflichtig.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 17.935,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert. Eine Abtretung durch die Kassenärztliche Vereinigung Hessen sei nicht möglich gewesen, da die Verfahren von den Wirtschaftlichkeitsprüfgremien festgesetzt worden seien. Die Höhe der Forderungen sei nicht nachvollziehbar, sie ergebe sich nicht aus den einzelnen Regressbeträgen. Es sei auch Verjährung eingetreten, da die Abtretung vier Jahre nach rechtskräftigem Abschluss des zugrundeliegenden Verfahrens erklärt worden sei. Er habe sein Leben darauf eingestellt, dass von den Forderungen abgesehen werde. Er habe sich auch bereit erklärt, dass monatlich 500 € von seinen EHV-Bezügen einbehalten werden. Die Beigeladene habe Beträge einbehalten, wenn auch nicht in voller Höhe des genannten Betrags. Es sei unklar, wieviel von dem Einbehalt auf die Klägerin entfalle.
Die Beigeladene ist der Auffassung, auf der Grundlage des § 52 BMV-Ä sei sie zur Abtretung berechtigt gewesen, da sie ursprüngliche Forderungsinhaberin gewesen sei. Dem Beklagten sei wiederholt deutlich gemacht worden, dass die Forderung nach wie vor geltend gemacht werde. Dass der Beklagte sein Einverständnis erklärt habe, dass monatlich 500 € von seinen EHV-Bezügen einbehalten werden, entziehe sich ihrer Kenntnis. Seit dem 01.07.2005 erfolge ein Einbehalt von EHV-Leistungen, jedoch nur in Höhe des jeweils pfändbaren Betrags. Sie habe dem Beklagten wiederholt die einbehaltenen Beträge mitgeteilt. Der Beklagte habe aber in der Vergangenheit die Abtretung von EHV-Ansprüchen in Höhe von monatlich 500 € an seinen Prozessbevollmächtigten, die zwischenzeitlich erledigt sei, und Frau D. erklärt. Der Beklagte habe trotz Anfrage nicht dargelegt, ob diese Abtretung nicht mehr gelte. Sie könne daher die einbehaltenen Beträge nicht zur Befriedung der Ansprüche der Krankenkassen verwenden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sac...