Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Abrechnungsprüfung. zeitbezogene Plausibilitätsprüfung. Einstellung des Verfahrens. erneute Durchführung einer Plausibilitätsprüfung wegen gemeinsamer Patienten mit der Abrechnung eines anderen Arztes im Ärztlichen Bereitschaftsdienst. kein Vertrauensschutz. Abrechnungsauffälligkeit nicht erst bei einer Patientenidentität von 20 %, sondern wesentlich darunter. Obliegenheit des Arztes, Abrechnungsfehler auszuräumen. Unrichtigkeit einer Abrechnungs-Sammelerklärung als Ganzes bereits bei einer unrichtigen Angabe in den Behandlungsausweisen. Voraussetzung grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Falschangaben

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach Einstellung eines Verfahrens zur zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung kann eine Plausibilitätsprüfung wegen gemeinsamer Patienten mit der Abrechnung eines anderen Arztes durchgeführt werden. Vertrauensschutzgesichtspunkte stehen dem nicht entgegen. Die Mitteilung der Einstellung eines eingeleiteten Verwaltungsverfahrens beinhaltet keine nach außen gerichtete Regelung iSd § 31 S 1 SGB X (vgl VG Würzburg vom 24.11.2020 - W 4 K 18.500 = juris Rdnr 22).

2. Bei einer Plausibilitätsprüfung wegen gemeinsamer Patienten einer Vertragsarztpraxis mit der Abrechnung eines Arztes im Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung besteht eine Abrechnungsauffälligkeit nicht erst bei einer Patientenidentität von 20 %, sondern wesentlich darunter.

 

Orientierungssatz

1. Es ist in erster Linie Sache des Arztes, begründete Zweifel an der Richtigkeit der Abrechnung auszuräumen. Diese Obliegenheit ist umso ausgeprägter, je gravierender die Hinweise auf Abrechnungsfehler sind. Als Anspruchsteller trifft den Arzt grundsätzlich die Feststellungslast hinsichtlich der Voraussetzungen für seinen Vergütungsanspruch. Das gilt vor allem, wenn sich der Arzt auf für ihn günstige Tatsachen berufen will, die allein ihm bekannt sind oder nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden können. Die zur Begründung seines Anspruchs dienenden Tatsachen muss der Vertragsarzt in diesen Fällen so genau wie möglich angeben und belegen (vgl BSG vom 15.7.2020 - B 6 KA 13/19 R = SozR 4-5531 Nr 01100 Nr 1 RdNr 32; BSG vom 13.5.2020 - B 6 KA 6/19 R = SozR 4-2500 § 106d Nr 8 RdNr 27f jeweils mwN).

2. Eine Abrechnungs-Sammelerklärung als Ganzes ist bereits dann unrichtig, wenn nur ein mit ihr erfasster Behandlungsausweis eine unrichtige Angabe über erbrachte Leistungen enthält. Dies gilt auch für implausible Abrechnungen. Wegen dieser weitgehenden Wirkung der Rechtsfolgen aus der Abgabe einer unrichtigen Abrechnungs-Sammelerklärung ist weiter vorauszusetzen, dass unrichtige Angaben in den Behandlungsausweisen zumindest grob fahrlässig oder vorsätzlich erfolgt sind (vgl BSG vom 17.9.1997 - 6 RKa 86/95 = SozR 3-5500 § 35 Nr 1 RdNr 21f).

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 147.405,38 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Rückforderung aus einer Plausibilitätsprüfung bezüglich der sechs Quartale II/12 bis III/13 in Höhe von 147.405,38 €.

Herr A. ist Facharzt für Allgemeinmedizin und war mit Einzelpraxis im hausärztlichen Versorgungsbereich in A-Stadt zugelassen. Seit 01.09.2008 betreibt er mit Herrn C., Facharzt für Innere Medizin, ebf. zugelassen für den hausärztlichen Bereich, die klagende Berufsausübungsgemeinschaft in A-Stadt. Die Klägerin beschäftigte vom 01.03.2012 bis 31.08.2012 Herrn D. als Weiterbildungsassistenten.

Die Beklagte setzte aufgrund implausibler Abrechnung in den Vorquartalen I/09 bis IV/10 gegen die Klägerin eine Honorarrückforderung in Höhe von 538.739,39 € fest. In der mündlichen Verhandlung zum Aktenzeichen S 16 KA 447/14 vor der 16. Kammer des SG Marburg verglichen sich die Beteiligten auf eine reduzierte Rückforderungssumme in Höhe von 363.044,04 €. Hintergrund war, dass die Beklagte einen Weiterbildungsassistenten nicht hinreichend berücksichtigt hatte. Die Klage gegen eine Rückforderung aus einer zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung bezüglich der fünf Quartale I/11 bis I/12 in Höhe von 650.509,01 € wies die Kammer mit Gerichtsbescheid vom 06.04.2021 - S 12 KA 119/18 - (Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 22/21) ab. Die Beklagte setzte aufgrund implausibler Abrechnung in den Quartalen I bis III/08 in Bezug auf die Tätigkeit im Ärztlichen Bereitschaftsdienst gegen Herr A. eine Honorarrückforderung in Höhe von 70.813,85 € fest. SG Marburg, Urteil v. 21.07.2017 - S 16 KA 446/14 - hob die Honorarrückforderung für das Quartal II/08 (25.567,50 €) auf und wies im Übrigen die Klage ab (Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 46/17). Die Beklagte setzte für die Quartale IV/08 - IV/10 in Bezug auf die Tätigkeit des Herr A. im Ärztlichen Bereitschaftsdienst eine weitere Honorarrückforderung in Höhe von 651.035,66 € fest. SG Marburg, Urteil v. 21.07.2017 - S 16 KA 362/15 - wies die Klage ab (Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 47/17...

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