Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Leistungsklage. Nachzahlung von bereits durch Bewilligungsbescheid festgestelltem Arbeitslosengeld. Erfüllungswirkung der bereits geleisteten Zahlungen an den Arbeitslosen. Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts im Bereich der Vermögenssorge. fehlende Empfangszuständigkeit. nachträgliche Genehmigung
Leitsatz (amtlich)
1. Streiten die Beteiligten über die Erfüllung eines durch Verwaltungsakt festgestellten Zahlungsanspruchs, ist dafür eine echte Leistungsklage statthaft.
2. Steht ein Betreuter hinsichtlich seiner Vermögenssorge unter Einwilligungsvorbehalt, fehlt ihm die Empfangszuständigkeit zur Entgegennahme von Sozialleistungen. Zahlungen ohne Zustimmung des Betreuers haben daher keine Erfüllungswirkung.
3. Bloßes Schweigen stellt keine Genehmigung dar.
4. Sind Bewilligungsbescheide über Sozialleistungen in Bestandskraft erwachsen, steht die Höhe der darin festgestellten Zahlungsansprüche zwischen den Beteiligten bindend fest.
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.046,70 Euro nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin 3/4 ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Nachzahlung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 19.12.2013 bis 13.03.2014; die Beteiligten streiten über die Erfüllungswirkung der von der Beklagten insoweit bereits geleisteten Zahlungen.
Die 1991 geborene Klägerin steht unter Betreuung. Für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge wurde durch das zuständige Amtsgericht ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet. Am 26.11.2013 meldete sich die Klägerin persönlich bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Das Antragsformular wurde von ihrer Betreuerin mitunterzeichnet. Darin wurde die Auszahlung der Leistungen auf ein Girokonto bei der VR-Bank D-Stadt erbeten. Daraufhin erließ die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 12.12.2013 (Arbeitslosengeld in Höhe von 22,88 Euro täglich für eine Gesamtanspruchsdauer von 360 Tagen ab 26.11.2013), den sie (wie alle im Folgenden genannten Bescheide) der Betreuerin bekanntgab. Die Leistung werde der Klägerin monatlich nachträglich überwiesen. Mit Bescheid vom 18.12.2013 verfügte die Beklagte eine Änderung der Auszahlung für die Zeit vom 01.12.2013 bis 22.12.2013: Wegen eines vorrangigen Erstattungsanspruchs des E-Landkreis werde diesem das Arbeitslosengeld in Höhe von 483,70 Euro überwiesen.
Am 14.01.2014 sprach die Klägerin bei der Beklagten vor und ließ sich 50 Euro als Abschlag auszahlen. Dieser Betrag wurde durch Änderungsbescheid vom 14.01.2014 vom monatlichen Arbeitslosengeldanspruch abgezogen. Für die Überweisung des Restbetrags wurde in diesem Bescheid erstmalig eine neue Bankverbindung angegeben. Am 11.02.2014 sprach die Klägerin bei der Beklagten vor und ließ sich 150 Euro als Abschlag auszahlen. Dieser Betrag wurde durch Änderungsbescheid vom 11.02.2014 vom monatlichen Arbeitslosengeldanspruch abgezogen.
Mit Änderungsbescheid vom 07.03.2014 stellte die Beklagte den Eintritt von drei Sperrzeiten bei Meldeversäumnis fest und verminderte die Anspruchsdauer um jeweils sieben Tage. In der Zeit vom 15.02.2014 bis 07.03.2014 ruhe dementsprechend der Anspruch auf Arbeitslosengeld. Am 13.03.2014 sprach die Klägerin bei der Beklagten vor und ließ sich 100 Euro als Abschlag auszahlen. Dieser Betrag wurde durch Änderungsbescheid vom 13.03.2014 vom monatlichen Arbeitslosengeldanspruch abgezogen.
Mit Faxschreiben vom 19.03.2014 wandte sich die Betreuerin der Klägerin an die Beklagte und bat um Auskunft über die in der Vergangenheit geleisteten Zahlungen. Die Beklagte habe den Zahlungsweg unrechtmäßig verändert. Daraufhin erteilte die Beklagte fernmündlich und schriftlich entsprechende Auskünfte. Mit Faxschreiben vom 15.04.2014 begehrte die Betreuerin der Klägerin von der Beklagten die (ggf. erneute) Auszahlung der Leistungen für die Zeit vom 19.12.2013 bis 13.03.2014 auf das von ihr bei Antragstellung benannte Konto. Dies lehnte die Beklagte unter dem 02.05.2014 ab. Ihr sei nicht ersichtlich gewesen, dass an die Klägerin keine Zahlungen erfolgen durften.
Nach einer vorgerichtlichen Mahnung hat die Klägerin am 13.06.2014, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten, Zahlungsklage zum Sozialgericht Marburg erhoben.
Die Klägerin ist der Ansicht, die ohne Einverständnis ihrer Betreuerin geleisteten Zahlungen seien ihr gegenüber unwirksam.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.307,42 Euro nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Betreuerin der Klägerin habe die Zahlungen konkludent genehmigt, weil sie durch die Änderungsbescheide jeweils zeitnah in Kenntnis gesetzt worden sei. Die Änderung der Bankverbindung gehe auf eine entsprechende Mitteilung der Klägerin im Dezember 2013 zurück.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands, ...