Entscheidungsstichwort (Thema)
Honorarverteilungsmaßstab. Individualbudget. Anknüpfen an frühere Quartale. indirekte Fortführung von Fallbegrenzungsmaßnahmen. Eingriff durch Kassenärztliche Vereinigung bei Auseinanderberechnen der durchschnittlichen Nettoerlöse der Fachgruppen um mehr als 15 Prozent
Leitsatz (amtlich)
1. Das Anknüpfen an frühere Quartale im Rahmen eines sog Individualbudgets ist grundsätzlich zulässig. Fallzahlbegrenzungsmaßnahmen können indirekt fortgeführt werden, wenn sie auf von nicht mehr als drei Jahren zurückliegenden Fallzahlen beruhen.
2. Die Vielzahl verschiedener zulässiger Vergütungsformen und Honorarbegrenzungsmaßnahmen führt dazu, dass allein die Garantie von Mindestpunktwerten eine annähernd gleichmäßige und leistungsproportionale Honorarverteilung nicht mehr gewährleisten kann. Eine Kassenärztliche Vereinigung ist verpflichtet, bei einem Auseinanderbrechen der durchschnittlichen Nettoerlöse der Fachgruppen von mehr als 15 % steuernd in eine auf einer Fachgruppentopfbildung beruhenden Honorarverteilung einzugreifen (Fortführung von BSG vom 9.9.1998 - B 6 KA 55/97 R = BSGE 83, 1 = SozR 3-2500 § 85 Nr 26 und BSG vom 29.8.2007 - B 6 KA 43/06 R = SozR 4-2500 § 85 Nr 40 ) = USK 2007-78).
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Honorars für die acht Quartale I/03 bis III/04 und I/05 sowie um die Ablehnung einer Sonderregelung zu den LZ 505, 506 und Anlage 3 zu LZ 702 Abschnitt I HVM für die vier Quartale III/03 bis II/04.
Der Kläger ist als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie seit 01.09.1993 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Die Beklagte setzte mit Honorarbescheid das Honorar für die streitbefangenen Quartale jeweils durch Honorarbescheid fest. Für die Quartale I und II/03 nahm die Beklagte eine Neuberechnung vor. Hierzu teilte sie unter Datum vom 30.03.2005 an die Vertragsärzte u. a. der Fachgruppe des Klägers mit, für diese beiden Quartale sei ihr ein Berechnungsfehler unterlaufen. Der IT-Bereich habe nunmehr eine Neuberechnung vorgenommen. Es seien andere Punktwerte zur Anwendung gekommen. Gegen die Festsetzungen legte der Kläger Widerspruch ein.
Im Einzelnen ergeben sich die Festsetzungen sowie die Daten der Widerspruchseinlegung aus nachfolgender Übersicht.
Es folgt eine Tabelle (1), die aus technischen Gründen nicht dargestellt werden kann.
Es folgt eine Tabelle (2), die aus technischen Gründen nicht dargestellt werden kann.
Bruttohonorar ist das Honorar für Primär- und Ersatzkassen ohne sonstige Kostenträger und vor Abzug von Verwaltungskosten. Angaben in Punkten soweit kein weiterer Zusatz.
Zur Begründung seiner Widersprüche trug der Kläger vor, das Honorar für das Quartal I/03 sei das niedrigste Honorar seiner Arbeit seit Bestehen der Praxis. Die Honorierung sei ruinös. Es bestünden offenbar Probleme mit der innerärztlichen Verteilung. Auch für die anderen Quartale seien die Honorierungen ruinös. Der Fortbestand seiner Praxis sei gefährdet. Die Honorierung sei nicht kostendeckend. Er überreiche eine Statistik, aus der die in diskrepantem Ausmaß aufklappende Schere zwischen Patientenzahl und Honorar eindrücklich entnommen werden könne. Trotz einer Zwischenfinanzierung schiebe er ständig Defizite bis zu mehr als 12.000,00 € vor sich her. Seine Praxis sei bei der Budgetierung bisher mit dem Quartal II/95 verglichen worden. Er könne keinerlei Rücklagen für notwendige Ersetzung von Geräten etc. bilden. Die Tilgung des Praxisgründungskredites sei ausgesetzt. Sein Steuerberater sehe weder betriebswirtschaftliche Fehler in der Praxisführung noch weitere Möglichkeiten für Kosteneinsparungen. Die Zahl der Arzthelferinnen habe er schon vor längere Zeit auf zwei reduziert. Er konzentriere sich voll auf die Patientenversorgung und sei nicht gutachterlich oder in anderer Weise ärztlich tätig. Die Praxis sei bisher auf annähernd 800 gesetzlich krankenversicherte Patienten budgetiert. Diese Patientenzahl trage dem realen Zuweisungsaufkommen bzw. dem Versorgungsaufwand eher Rechnung. Seine Vergütung sei von 140.548,74 € im Jahr 2002 auf 125.996,42 €, also um 14.550,00 € zurückgegangen.
Mit Bescheid vom 02.04.2004 bewilligte die Beklagte auf Antrag des Klägers vom 24.09.2003 wegen einer mehrwöchigen Praxisschließung im Quartal III/02 für das Quartal III/03 im Rahmen der Fallzahlbegrenzung nach LZ 505 HVM den Rückgriff auf das Quartal III/01 mit 767 Fällen brutto. Eine darüber hinausgehende Sonderregelung lehnte sie ab. Die Entscheidung werde aber sinngemäß auf die nachfolgenden Maßnahmen der Grundsätze der Honorarverteilung LZ 506 und Anlage 3 zu LZ 702, Abschnitt 1 HVM übertragen.
Die Beklagte verband alle Widersprüche gegen die streitbefangenen Honorarbescheide und wies mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.2007, dem Kläger am 20.09. zugestellt, die Widersprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der EBM sei rechtmäßig. Der Honorarverteilungsmaßstab genüge auch dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn er sich im Rah...