Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftlichkeitsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung. Auseinandersetzung des Beschwerdeausschusses mit dem Umfang der Unwirtschaftlichkeit. Umfang der gerichtlichen Kontrolle im Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Grenzwert für ein offensichtliches Missverhältnis. Anerkennung einer Praxisbesonderheit

 

Leitsatz (amtlich)

Der Beschwerdeausschuss ist nicht verpflichtet, sich näher mit dem Umfang der Unwirtschaftlichkeit auseinanderzusetzen, wenn er bei einem statistischen Kostenvergleich im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses beanstandungsfrei von der Vermutung eines unwirtschaftlichen Verordnungsverhaltens ausgeht und bei der Festsetzung der Regresssumme den Bereich der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit nicht überschreitet. Von daher braucht er sich nicht im Einzelnen mit der Auffassung in einem Prüfbericht auseinanderzusetzen, dass die Verordnung bestimmter Arzneimittel zum therapeutischen Grundrüstzeug der HNO-Heilkunde gehörten, weshalb die Regresssumme sicherlich niedriger als durch den Prüfungsausschuss anzusetzen sei.

 

Orientierungssatz

1. In Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle auf die das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung des Beschwerdeausschusses. Dieser wird mit seiner Anrufung für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig. Sein Bescheid ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt des Prüfungsausschusses, der abweichend von § 95 SGG im Fall der Klageerhebung nicht Gegenstand des Gerichtsverfahrens wird. Eine dennoch gegen diesen Bescheid erhobene Klage ist unzulässig (vgl BSG vom 19.6.1996 - 6 RKa 40/95 = SozR 3-2500 § 106 Nr. 35 und vom 28.6.2000 - B 6 KA 36/98 R = USK 2000-165). Sofern der Bescheid des Beschwerdeausschusses rechtswidrig ist, ist nur er, nicht dagegen auch ein ihm vorausgegangener - ebenfalls rechtswidriger - Bescheid des Prüfungsausschusses aufzuheben.

2. Zur Frage des Grenzwertes für ein offensichtliches Missverhältnis zwischen dem Behandlungsaufwand des Arztes und dem durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe (vgl BSG vom 15.3.1995 - 6 RKa 37/93 = BSGE 76, 53 = SozR 3-2500 § 106 Nr 26).

3. Für die Anerkennung einer Praxisbesonderheit ist es nicht ausreichend, dass bestimmte Leistungen in der Praxis eines Arztes erbracht werden. Vielmehr muss substantiiert dargetan werden, inwiefern sich die Praxis gerade in Bezug auf diese Merkmale von den anderen Praxen der Fachgruppe unterscheidet (vgl BSG vom 21.6.1995 - 6 RKa 35/94 = SozR 3-2500 § 106 Nr 27).

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um einen Arzneikostenregress für die beiden Quartalen I und II/04 in Höhe von 7.983,36 € bzw. 6.672,96 € netto, insgesamt in Höhe von 14.756,32 €.

Die Klägerin ist als Fachärztin für HNO-Heilkunde seit dem Quartal III/01 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.

In den streitbefangenen Quartalen ergaben sich folgende Abrechnungswerte des Klägers im Vergleich mit ihrer Fachgruppe (VG):

I/04

II

Anzahl Praxen/Ärzte

233/273

232/276

Fallzahl Kl/VG

1.060/1.345

1.002/1.276

Rentneranteil Kl/VG in %

26/29

28/30

Fallwert gesamt in € Kl/VG

72.21/57,91

72.56/57,08

Arzneikosten gesamt pro Fall in € Kl./VG Überschreitung d. Kl. in €

Überschreitung d. Kl. in %

21,21/7,98

13,23

166

20,18/7,75

12,43

160

Die zu 2) bis 8) beigeladenen Verbände der Krankenkassen in Hessen beantragten am 29.03. und 06.09.2005 die Prüfung der Arzneimittel-Verordnungsweise nach Durchschnittswerten für die streitbefangenen Quartale für die Klägerin.

Der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen Hessen Frankfurt/Main setze mit Beschluss vom 20.09.2006 den strittigen Arzneikostenregress fest. Für das Quartal I/04 setzt er einen Regress in Höhe von 9,00 € je Fall für 1.056 Fälle, im Ergebnis 7.983,36 € netto, und für das Quartal II/04 8,00 € je Fall für 993 Fälle, im Ergebnis 6.672,96 € netto fest. Er führte einen statistischen Fallkostenvergleich durch und setzte die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei Überschreitung von 40 - 50 % an. Die von der Klägerin gemeldeten Hyposensibilisierungen würden im Quartal I/04 3.116,44 € (2,95 € je Fall) und im Quartal II/04 681,56 € (0,69 € je Fall) betragen und somit nicht die hohe Überschreitung des Fachgruppendurchschnittes erklären. Das gleiche gelte für die Infusionstherapie. Die Frequenzstatistiken zeigten, dass sich der Anteil der abgerechneten Ziffer 273 nur unerheblich von der Fachgruppe unterscheide. Die Überprüfung der gemeldeten kostenintensiven Fälle habe ergeben, dass es sich hier um Fälle handele, die in jeder anderen HNO-Praxis ebenfalls vorkämen. Zum Teil seien kostenintensive Fälle gemeldet worden, obwohl keine Verordnungen ausgestellt worden seien. Die Klägerin verordne wenig Generica-Präparate. Es würden hochpreisige Antibiot...

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