Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeitsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung. statistischer Kostenvergleich. kompensatorische Einsparungen eines Mehraufwandes. Erfordernisse an den Nachweis
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Mehraufwand in einem Bereich der ärztlichen Behandlung/Verordnung kann nur dann durch anderweitige Einsparungen als kompensiert angesehen werden, wenn belegt bzw nachgewiesen ist, dass gerade durch den Mehraufwand die Einsparungen erzielt werden und dass diese Behandlungsart medizinisch gleichwertig sowie auch insgesamt kostensparend und damit wirtschaftlich ist (vgl BSG vom 28.1.1998 - B 6 KA 69/96 R = SozR 3-2500 § 106 Nr 43 = NJW 1998, 3444).
2. Ein Verzicht auf das Erfordernis des Nachweises eines kausalen Zusammenhanges oder die Einschränkung der Anforderungen an den Nachweis kann nicht etwa daraus abgeleitet werden, dass es letztlich nur auf eine Art Gesamtwirtschaftlichkeit ankomme und die ärztliche Tätigkeit als einheitlicher Kostenkomplex zu begreifen sei und Durchschnittsüberschreitungen in Teilbereichen ganz oder weitgehend hinzunehmen seien, wenn der Aufwand in anderen Bereichen unter dem Durchschnitt der Vergleichsgruppe liege (vgl BSG vom 5.11.1997 - 6 RKa 1/97 = SozR 3-2500 § 106 Nr 42).
3. Der Vortrag, eine sparsamere Verordnungsweise sei darauf zurückzuführen, dass besonders sorgfältige und differenzierte internistische Untersuchung der Patienten durchführt werden, ist nicht zum Nachweis kompensatorischer Einsparungen geeignet, da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass auch die Internisten der Vergleichsgruppe sorgfältig die Patienten untersuchen.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise im Bereich der Leistungsgruppe 3 (Beratungs- und Betreuungsleistungen) in den vier Quartalen I bis IV/04 in Höhe von noch insgesamt 28.374,34 € unquotiert bzw. 3.899,14 € quotiert.
Der Kläger ist als Internist zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt seit 1976 zugelassen. Seit dem Jahr 2000 nimmt er an der hausärztlichen Versorgung teil.
In den streitbefangenen Quartalen entwickelten sich die Fallkosten des Klägers (Kl.) im Vergleich zu seiner Fachgruppe der hausärztlich tätigen Internisten (VG), gewichtet nach Rentneranteilen, wie folgt:
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I/04 |
II/04 |
III/04 |
IV/04 |
Anzahl Praxen/Ärzte |
499/573 |
493/566 |
488/562 |
490/564 |
Fallzahl Kl./VG |
639/926 |
652/923 |
665/931 |
658/952 |
Rentneranteil in % Kl./VG |
43/42 |
44/43 |
45/44 |
45/43 |
Fallkosten gesamt in € Kl./VG |
85,81/64,10 |
76,00/61,64 |
83,96/60,58 |
80,54/62,12 |
Überschreitung in € |
21,71 |
14,59 |
23,38 |
18,40 |
Überschreitung in % |
34 |
24 |
39 |
30 |
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Fallkosten LG 3 Kl./VG in Punkten |
782,8/354,8 |
683,7/332,9 |
791,4/333,5 |
779,2/346,9 |
Überschreitung in Punkten |
428,0 |
350,8 |
457,9 |
432,3 |
Überschreitung in % |
121 |
105 |
137 |
125 |
Der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen führte von Amts wegen ein Prüfverfahren für die streitbefangenen Quartale unter Hinweis auf die Überschreitungswerte der Leistungsgruppe 3 durch.
Der Prüfungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Hessen, Kammer ZZ., setzte mit Bescheid vom 14.11.2005 aufgrund der Sitzung am 19.10.2005 für die streitbefangenen Quartale eine Honorarabänderung in Höhe von 37.510,85 € unquotiert fest. Er kürzte die Bruttohonoraranforderung für die Leistungsgruppe 3 (Beratungs- und Betreuungsleistungen) auf die Fachgruppe + 40 %. Dies ergab für das Quartal I/04 eine Honorarkürzung von 182.805,1 Punkten, für das Quartal II/04 von 141.901,3 Punkten, für das Quartal III/04 von 215.792,5 Punkten und für das Quartal IV/04 von 193.149,3 Punkten. Zur Begründung führte er aus, die Überschreitungswerte stellten ein sogenanntes offensichtliches Missverhältnis dar. Er habe nur die Leistungsgruppe 3 beanstandet und hier insbesondere die Ziffern 10, 11, 18, 19 und 60; diese seien horrend übersetzt. Der Kläger habe eine Stellungnahme nicht abgegeben.
Hiergegen legte der Kläger am 14.12.2005 Widerspruch ein.
Der Beklagte holte einen Prüfbericht bei dem Internisten Dr. IQ. mit Datum vom 18.12.2008 ein, den er dem Kläger zur Stellungnahme vorlegte. Ferner lud er den Kläger zu einer Prüfsitzung am 29.04.2009, an der der Kläger persönlich teilnahm.
Zur Begründung seines Widerspruchs führte der Kläger aus, bei Durchsicht der vom Prüfreferenten herangezogenen 113 Fälle sei leicht zu erkennen, dass der Ansatz der beanstandeten Ziffern sehr leicht durch die vorliegenden Diagnosen begründet werden könne. Der Prüfer habe die Behauptung der unwirtschaftlichen Abrechnung anhand der Beispielsfälle und der vorliegenden Diagnosen nicht begründen können. Das Gutachten sei als Beweismittel unbrauchbar. Laut Statistik liege der Ansatz der Gesprächs- und Untersuchungsziffern über dem Durchschnitt der Fachgruppe. Dieser deutliche Mehraufwand an Zeit sei im Allgemeinen in einer fachärztlich geprägten Praxis erford...