Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung: Anerkennung einer Berufskrankheit. Anforderung an eine berufliche Ursache bei einer Infektionskrankheit

 

Orientierungssatz

Die Anerkennung einer Infektionskrankheit als Berufskrankheit scheidet aus, wenn für die erfolgte Infektion auch körpereigene Keime (hier: endogene Infektion mit Bakterien des Typs Streptokokkus bovis) als konkurrierende Ursache in Betracht kommen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 01.03.2018; Aktenzeichen B 2 U 236/17 B)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 3101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Der Kläger, geboren 1957, zeigte am 25.05.2012 die Vermutung einer BK 3101 bei der Beklagten an. Der Kläger war nach seinen Angaben als Gas- und Wasserinstallateur im Auftrag seines Arbeitgebers über einen Expositionszeitraum von ca. 25 Jahren bei den Firmen E. AG und F. GmbH in F-Stadt überwiegend mit Reinigungs- und Instandsetzungsarbeiten an dortigen Abwasseranlagen beschäftigt.

Er wurde am 24.05.2011 aufgrund einer schwerwiegenden Spondylodiszitis nach bakterieller Infektion im Bereich des HWK 4/5 im Klinikum Kassel notoperiert. Der 4. und 5. Halswirbel wurden entfernt. Am 30.05.2011 erfolgte dann im Rahmen einer weiteren Operation eine Spondylodese von HW 3 bis HW 6 mit einem Schrauben-Stab-System. Beim anschließenden Reha-Aufenthalt in den Asklepios Kliniken Bad Wildungen zeigte sich im Rahmen von Gastroskopien am 03.06.2011 und 06.06.2011 eine schwere Ösophagitis mit Fibrinbelägen im distalen Drittel sowie Blutungen sowie eine Refluxösophagitis III. Grades, die versorgt wurden.

Der Kläger leidet in Folge der Operationen unter einer sensomotorischen Querschnittssymptomatik mit chronischem Schmerzsyndrom.

Aufgrund dieser Folgen ist er pflegebedürftig, berentet und hat einen GdB von 80 sowie die Merkzeichen G und B.

Er führt die Erkrankung auf eine erhöhte Infektionsgefahr bei seiner beruflichen Tätigkeit zurück.

Die Beklagte holte im Verwaltungsverfahren zunächst Befundberichte der behandelnden Ärzte und Kliniken ein und legte dann die Unterlagen ihrem beratenden Arzt G. vor. Dieser stellte in einer Stellungnahme vom 20.09.2012 fest, dass es sich bei dem Erreger Streptokokkus bovis um einen typischen Teil der Flora des Gastrointestinaltraktes handelt, der nur im Rahmen von Erkrankungen dieses Bereiches in das Blut übertritt und dann Herzmuskelentzündungen oder Spondylodiscitiden auslösen kann. Die diagnostizierte schwere Speiseröhrenentzündung dritten Grades stelle die Eintrittspforte für den Keim dar. Der Landesgewerbearzt pflichtete dieser Stellungnahme bei.

Unter Wiedergabe dieser medizinischen Erkenntnisse wies die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 07.11.2012 zurück. Seinen Widerspruch vom 13.11.2012 begründete der Kläger damit, dass ein Erregernachweis nicht geführt worden sei. Nur vor der Verabreichung hochdosierter Antibiotika sei dies überhaupt möglich gewesen. Vor den Krankenhausaufenthalten sei bei ihm weder eine Ösophagitis noch eine Refluxösophagitis diagnostiziert worden.

Die Beklagte konfrontierte ihren beratenden Arzt G. mit der Widerspruchsbegründung. Herr G. kam in seiner Stellungnahme vom 18.03.2013 zu dem Ergebnis, dass sich eine drittgradige Refluxösophagitis nur über mehrere Jahre wenn nicht sogar Jahrzehnte entwickeln könne. Das klinische Bild bestehe meistens nur in der Form von Sodbrennen. Diese, meist kurzzeitigen, Beschwerden seien Ausdruck der Entzündung, welche als Eintrittspforte für den nachgewiesenen Keim Streptokokkus bovis geeignet sei. Da die Diagnostik üblicherweise erst bei erheblichen Beschwerden erfolge, sei der Zeitpunkt der Diagnosestellung für den Kausalitätsaspekt ohne Bedeutung.

Unter Zugrundelegung dieser Stellungnahme wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2013 zurück.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage vom 28.03.2013. Der Kläger bestreitet, dass Streptokokkus bovis überhaupt geeignet sei, eine Spondylodiscitis zu verursachen. Es sei vielmehr wahrscheinlich, dass Streptokokkus aureus, der als hauptsächlicher Erreger von Spondylodiscitiden bekannt sei, die Erkrankung hervorgerufen habe. Ein entsprechender Erregernachweis für Streptokokkus bovis sei auch gar nicht geführt worden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2013 zu verurteilen, die beim Kläger diagnostizierte Spondylodiszitis als Berufskrankheit Nr. 3101 zu § 2 der Anl. zur Berufskrankheiten Verordnung anzuerkennen und Rente in Höhe von mindestens 50% der Vollrente gem. der §§ 56/72 SGB VII zu gewähren,

hilfsweise, ein Gutachten einzuholen nach § 109 SGG zu den mit Schriftsatz vom 05.12.2014 Bl. 2 übermittelten Beweisfragen.

Der Beklagtenvertreter beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich im Wesentlichen auf die Ausführunge...

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