Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Pflicht zur fachlichen Fortbildung. Nachweis. Verfassungsmäßigkeit. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

Leitsatz (amtlich)

§ 95d Abs 3 S 4 SGB 5 stellt auf den Nachweis ab. Insofern kommt es nicht darauf an, ob der Vertragsarzt der Fortbildungsverpflichtung innerhalb der Frist nachgekommen ist (vgl bereits SG Marburg vom 7.12.2011 - S 12 KA 854/10 = GesR 2012, 366).

 

Orientierungssatz

1. Die gesetzliche Regelung über die Pflicht zur fachlichen Fortbildung im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung ist verfassungsgemäß (vgl SG Marburg vom 23.3.2011 - S 12 KA 695/10).

2. Der Umfang der Fortbildungsverpflichtung ist nicht unverhältnismäßig.

3. Bei der Regelung des § 95 Abs 3 SGB 5 idF des GMG vom 14.11.2003 zur Erbringung des Nachweises bis zum 30.6.2009 bzw zum Quartalende der Kürzung für vorausgehende Quartale handelt es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist. Ein Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand besteht nicht.

 

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

3. Der Streitwert wird für das Verfahren mit Az.: S 12 KA 906/10 auf 3.885,80 € und für das Verfahren mit Az.: S 12 KA 165/11 auf 4.021,89 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Festsetzungen des Honoraranspruchs für die Quartale IV/09 und I/10 und hierbei um einen Abzug in Höhe von 3.885,80 € und 4.021,89 € wegen der Nichterfüllung der Fortbildungspflicht nach § 95d SGB V.

Der Kläger ist als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Praxissitz in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Die Beklagte setzte mit Honorarbescheid vom 27.03.2010 für das Quartal IV/09 das Gesamthonorar auf 34.090,17 € netto fest. Für den Primär- und Ersatzkassenbereich setzte sie das Bruttohonorar bei 807 Arztfällen auf 35.269,11 € fest, wobei der Kürzungsbetrag wegen Nichterfüllung der Fortbildungspflicht 3.885,80 € betrug.

Gegen die Kürzung wegen Nichterfüllung der Fortbildungspflicht legte der Kläger am 28.06.2010 Widerspruch ein. Er trug vor, bis zum 30.06.2009 habe er weit mehr als die geforderten 250 Punkte erworben. Da das System der Punkteübermittlung durch die Landesärztekammer nicht zuverlässig funktioniere, seien ihm bis zum 30.06.2009 fast 200 Punkte zu wenig angerechnet worden.

Auf Anfrage der Beklagten teilte die Landesärztekammer Hessen unter Datum vom 31.08.2010 mit, sie könne nach eingehender Recherche bestätigen, dass der Kläger bis zum 30.06.2009 mehr als 250 Fortbildungspunkte erworben habe, der Nachweis darüber sei durch Einsendung von Teilnahmebescheinigungen, mit Posteingang bei ihr am 02.08.2010 erfolgt.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2010 den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies sie auf die Fortbildungsverpflichtung nach § 95 d SGB V. Bei Nichterfüllung der Fortbildungsverpflichtung sei sie verpflichtet, dass Honorar um 10 % für die ersten vier Quartale, die auf den 5-Jahre-Zeitraum folgten, um 10 % zu kürzen. Der Nachweis der 250 Fortbildungspunkte erfolge vorrangig über ein Zertifikat der Landesärztekammer bzw. Landespsychotherapeutenkammer oder über ein Zertifikat, das in Musterregelungen der Bundesärztekammer bzw. Bundespsychotherapeutenkammer entspreche. Die Fortbildungsverpflichtung sei grundsätzlich ohne Prüfung durch sie nachgewiesen, wenn der Vertragsarzt die Fortbildung durch ein Fortbildungszertifikat der Hessischen Landesärztekammer oder der Psychotherapeutenkammer belegen könne. Der Kläger habe kein entsprechendes Kammerzertifikat bis zum Stichtag 30.09.2005 ihr gegenüber vorgelegt. In Hessen bestehe darüber hinaus die Möglichkeit, mittels eines elektronisch geführten Online-Punktekontos bei der Landesärztekammer den Stand der Fortbildungspunkte direkt an sie zu übermitteln und auf diese Weise einem Nachweis der Fortbildungsverpflichtung nachzukommen. Der auf diese Weise übermittelte Punktestand des Fortbildungskontos habe zum Stichtag 30.09.2009 weniger als die notwendigen 250 Punkte (220) betragen. Der Nachweis sei bis zum 30.09.2009 zu führen. Der Kläger habe den Nachweis erst nach dem Stichtag, und zwar im August 2010 führen können.

Hiergegen hat der Kläger am 16.12.2010 zum Aktenzeichen S 12 KA 906/10 die Klage erhoben.

Die Beklagte setzte mit Honorarbescheid vom 29.06.2010 für das Quartal I/10 das Nettohonorar auf insgesamt 35.892,13 € fest. Für den Primär- und Ersatzkassenbereich setzte sie das Bruttohonorar auf 36.616,91 € fest, wobei sie eine Kürzung wegen Nichterfüllung der Fortbildungsverpflichtung in Höhe von 4.021,89 € vornahm. Die Anzahl der Behandlungsfälle betrug 780. Gegen die Honorarkürzung legte der Kläger am 24.10.2010 wiederum Widerspruch ein. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2011 den Widerspruch aus den gleichen Gründen wie für das Vorquartal als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 25.02.2011 zum Aktenzeichen S 12 KA 165/11 die Klage erhoben.

Zur Begründung seiner Klagen trägt der Kläger vor,...

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