Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit des einem Vertragsarzt zugewiesenen Regelleistungsvolumens

 

Orientierungssatz

1. Die Krankenkassen ziehen die ihnen von den Versicherten zustehenden Beträge ein und übertragen diese nach § 52 SGB 5 an den Gesundheitsfonds. Für den Bereich der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung bestimmen die §§ 87 a bis c SGB 5 sodann, welche Summen von der jeweiligen Krankenkasse der Kassenärztlichen Vereinigung zur Finanzierung der vertragsärztlichen Versorgung nach welchen Kriterien zur Verfügung gestellt werden.

2. Neu im System der Honorarverteilung unter dem Regime des Gesundheitsfonds ist die Bildung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung nach § 87a Abs. 3, 87c Abs. 4 SGB 5.

3. Die Vorschrift des § 87b Abs. 3 S. 5 SGB 5 gibt vor, dass die Morbidität mit Hilfe der Kriterien Alter und Geschlecht zu bestimmen ist.

4. Nach der Rechtsprechung des BSG müssen umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnende Praxen die Möglichkeit haben, zumindest den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen (BSG Urteil vom 3. 2. 2010, B 6 KA 1/09 R).

5. Es ist unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen sowie Praxen im der Aufbauphase auf der Grundlage des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht zuzumuten, dass ein Großteil der Leistungen über den Zeitraum eines Jahres unvergütet bleibt, nur um ein Jahr später wieder an die Leistungsmenge bzw. an die Fallzahl anknüpfen zu können. Die Betrachtung des Wachstums hat quartalsbezogen und nicht jahresbezogen zu erfolgen.

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 29.08.2014; Aktenzeichen 1 BvR 864/14)

BSG (Beschluss vom 25.02.2014; Aktenzeichen B 6 KA 1/13 C)

BSG (Urteil vom 17.07.2013; Aktenzeichen B 6 KA 44/12 R)

 

Tenor

Der RLV-Zuweisungsbescheid der Beklagten vom 27. Mai 2009 für das Quartal III/09 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2010 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte trägt die Gerichtskosten sowie die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Der Streitwert wird auf 5000€ festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des zugewiesenen Regelleistungsvolumens (RLV) sowie über die Rechtmäßigkeit der dieser Berechnung zugrunde liegenden Rechtsgrundlagen.

Die Klägerin ist eine radiologische Gemeinschaftspraxis mit Vorhaltung von CT und MRT und seit dem 1.1.2008 in der Zusammensetzung Frau Dr. A., Herr Dr. B. und Herr Dr. C. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Die Dres. B. und C. betrieben gemeinsam schon seit 2004 eine Praxis an unterschiedlichen Standorten, Frau Dr. A. kam im Januar 2008 dazu.

Praxissitz der neuen Gemeinschaftspraxis ist A-Stadt. Nach einigen zeitlichen Verzögerungen hat die Klägerin ihre Praxisräume, für die sie erhebliche Investitionen vorgenommen hatte, im Laufe des Sommers 2009 fertig gestellt und ihre Tätigkeit aufgenommen.

Grundlage der Investitionsentscheidung der Klägerin war ein Schreiben der Beklagten vom 02.10.2007, mit folgendem Wortlaut:

“Grundsätzlich muss ich erwähnen, dass eine verbindliche Aussage bezüglich der Honorarverteilung im Jahr 2008 nicht möglich ist… Somit kann ich nur Angaben machen, wie die Honorarverteilung aussehen würde, wenn sich an den jetzigen Bedingungen nichts grundlegend ändern würde… Mit dem 1. Quartal 2008 erlischt Ihr Status “Junge Praxis„. Dies bedeutet, dass Sie im Rahmen der Fallzahlbegrenzungsregelung an Ihren eigenen Fallzahlen aus gewissen Vorquartalen gemessen werden (sofern solche vorliegen). Letztendlich haben Sie jedoch immer Anspruch auf die durchschnittliche Fallzahl Ihrer Fachgruppe…„

Mit Bescheid vom 09.06.2009 erhielt die Klägerin zudem die Genehmigung, eine Zweigpraxis in X-Stadt zu betreiben.

Die Beklagte wies der Klägerin auf der Grundlage der Fallzahlen aus dem Jahr 2008 mit Bescheid vom 27.05.2009 ein Regelleistungsvolumen in Höhe von 3.700,09 € für das Quartal III/09 zu. Es resultiere aus der Multiplikation der für das RLV relevanten Fallzahl aus dem Quartal III/08 mit dem arztgruppenspezifischen Fallwert. Zur Förderung der Versorgung in Berufsausübungsgemeinschaften für fach- und schwerpunktgleiche Berufsausübungsgemeinschaften wurde ein 10%-iger Aufschlag gewährt. Die Berechnung ergibt sich aus der folgenden Tabelle:

Name

RLV-Gruppe

RLV-relevante Fallzahl

Fallwert

Fallwertabstaffelung

Altersstrukturquote

Aufschlag für BAG

RLV

B.

Radiologe ohne Vorhaltung von CT und MRT

6

36,90€

1

0,9919

1,1

241,57€

A.,

Radiologe ohne Vorhaltung von CT und MRT

10

36,90€

1

0,9874

1,1

400,79€

C.

Radiologe ohne Vorhaltung von CT und MRT

74

36,90€

1

1,018

1,1

3.057,73€

Gegen den Bescheid hat die Klägerin Widerspruch eingelegt.

Mit Bescheiden vom 7., 9. bzw. 17. September 2009 hat die Antragsgegnerin den Mitgliedern der Klägerin jeweils mit Wirkung zum 29. Juli 2009 die Genehmigung zur Abrechnung von CT- bzw. MRT-Leistungen bzw. für Dr. A.. auch die Genehmigung zu Abrechnung von Leistungen der diagnostischen Rad...

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