Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Abgrenzung. Zweigpraxis von ausgelagerten Praxisräumen. Verbesserung der Versorgung iS von § 24 Ärzte-ZV nF
Leitsatz (amtlich)
1. Die Abgrenzung der Zweigpraxis von ausgelagerten Praxisräumen ist auch nach Änderung der Berufsordnungen auf der Grundlage des Leistungsangebots vorzunehmen. Für eine Zweigpraxis kommt es danach maßgeblich darauf an, ob der Arzt ein ähnliches Angebot in einer Praxis vorhalten will. Ausgelagerte Praxisräume bedingen demgegenüber, dass die dort angebotenen Leistungen nicht auch in den eigentlichen Praxisräumen erbracht werden (vgl BSG vom 12.9.2001 - B 6 KA 64/00 R = SozR 3-2500 § 135 Nr 20). Dies gilt auch nach der ab 1.1.2007 geltenden Neufassung des § 24 Ärzte-ZV.
2. "Verbesserung" der Versorgung der Versicherten iS des § 24 Ärzte-ZV nF ist wenigstens in dem Sinne zu verstehen, dass eine "Bedarfslücke" besteht, die zwar nicht unbedingt geschlossen werden muss, die aber nachhaltig eine durch Angebot oder Erreichbarkeit veränderte und im Sinne der vertragsärztlichen Versorgung verbesserte Versorgungssituation herbeiführt. Es kann nicht darauf abgestellt werden, dass jede weitere Eröffnung einer Praxis bzw Zweigpraxis das Versorgungsangebot unter dem Gesichtspunkt der Freiheit der Arztwahl "verbessert". Hätte der Gesetzgeber dies unterstellt bzw gewollt, so hätte er von weiteren Bedarfsgesichtspunkten abgesehen.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat der Beklagten und der Beigeladenen die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Er hat auch die Gerichtskosten zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den Widerruf der Genehmigung einer Zweigpraxis des Klägers in A-Stadt B..
Der Kläger ist als Internist zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt., N., G-Straße zugelassen. Er ist hausärztlich tätig. Die Beigeladene ist als Fachärztin für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in der U-Straße, A-Stadt zugelassen.
Auf seinen Antrag vom 08.07.2005 erteilte ihm die Landesstelle der Beklagten mit Bescheid vom 16.08.2005 die Genehmigung zur Ausübung ärztlicher Tätigkeit über seinen Praxissitz hinaus in der BB-Straße, A-Stadt. Zur Begründung verwies sie auf § 17 Abs. 2 Satz 1 der Berufsordnung, der es dem Arzt gestatte, über den Praxissitz hinaus an zwei weiteren Orten ärztlich tätig zu sein. Eine Bedarfsprüfung sei nicht durchzuführen.
Hiergegen legte die Beigeladene am 15.12.2005 Widerspruch ein.
Die Beklagte führte eine Befragung der im Umfeld der Zweigpraxis tätigen Ärzte durch und nahm eine Bedarfsprüfung vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2006, zugestellt am 10.03., gab die Beklagte dem Widerspruch statt und hob den Bescheid vom 16.08.2005 auf. In der Begründung führte sie aus, der Widerspruch sei zulässig, da die Beigeladene durch die Genehmigung möglicherweise in ihrer Berufsausübungsfreiheit nach Art 12 Abs. 1 GG verletzt werde. Durch die Zweigpraxis werde die Wettbewerbssituation der anderen im gleichen Planungsbereich tätigen Ärzte beeinflusst, da ein Arzt mit mehreren Praxissitzen auch mehrere Patienten erreiche. Der Widerspruch sei auch begründet. Zwar sehe §17 Abs. 2 der Berufsordnung in Hessen vor, dass es dem Arzt gestattet sei, über den Praxissitz hinaus an zwei weiteren Orten ärztlich tätig zu sein. § 15a Abs. 1 Satz 1 BMV-Ä/EKV-Ä sei jedoch als spezielleres Recht anzuwenden. Danach dürfe eine Genehmigung nur erteilt werden, wenn die Zweigpraxis zur Sicherung einer ausreichenden vertragsärztlichen Versorgung erforderlich sei. In A-Stadt seien ebenso wie in den benachbarten Stadtteilen H, B, P und S keine Zulassungen von Hausärzten mehr möglich. Die dort tätigen Ärzte verfügten nach ihren Angaben noch über freie Behandlungskapazitäten. Die Beigeladene werde durch die rechtswidrige Genehmigung auch in ihren Rechten verletzt.
Hiergegen hat der Kläger am 10.04.2006 die Klage erhoben. Er trägt vor, er wohne in der BB-Straße. Im Verwaltungsverfahren sei ihm Akteneinsicht verwehrt worden. Ein Anspruch auf Genehmigung folge aus § 17 Abs. 2 der Berufsordnung. Voraussetzung sei lediglich, dass Vorkehrungen für eine ordnungsgemäße ärztliche, insbesondere eine zeitnahe Versorgung der Patienten an allen Orten der Tätigkeit bereitgestellt werde. Er könne beide Orte innerhalb kurzer Zeit erreichen. Das Vertragsarztrecht werde der Berufsordnung gegenwärtig angepasst. Die Bedarfsdeckungssituation sei fehlerhaft geprüft worden. Es müssten die Anzahlstatistiken beigezogen werden. Der Stadtteil X. sei durch die Autobahnen quasi von den anderen Stadtteilen isoliert. Er sei fußläufig von den anderen Stadtteilen nicht zu erreichen.
Der Kläger beantragt,
den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 01.03.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Widerspruch der Beigeladenen zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ergänzend zu ihren Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid trägt sie vor, die Genehmigung der Zweigpraxis sei zur Sich...