Entscheidungsstichwort (Thema)
Klagefrist. tatsächlicher Zugang des Widerspruchsbescheids. Formverstoß seitens des Postbediensteten. Vertragszahnarzt. Abrechnung verschiedener Leistungen bei Kieferbruch
Leitsatz (amtlich)
1. Unterlässt der Postbedienstete den vorgeschriebenen Vermerk des Tages der Zustellung auf der Sendung, so ist die Zustellung nicht unwirksam, jedoch liegt ein beachtlicher Formverstoß vor. Maßgeblich für die Klagefrist ist der tatsächliche Zugang des Widerspruchbescheids. Dieser wird durch die Postzustellungsurkunde nachgewiesen.
2. Bei einer Intubationsnarkose können weitere Anästhesieleistungen erbracht werden. Für ihren Nachweis ist aber erforderlich, dass sich aus dem OP-Bericht entnehmen lässt, dass bzw wann (in Bezug auf den Operationsverlauf) der Vertragszahnarzt diese weiteren Anästhesieleistungen erbracht hat (vgl SG Marburg vom 15.3.2006 - S 12 KA 26/05).
3. Nr 2255 GOÄ-82 (juris: GOÄ 1982) kann nicht für eine Verlagerung von Knochenteilen allein mit dem Zugang zur Kieferhöhle angesetzt werden.
4. Nr 8272 GOÄ 1982 kann insgesamt nicht mehr als zweimal je Behandlungstag, unabhängig von der Zahl der Behandler angesetzt werden.
5. Für eine Leistung nach Nr 2702 GOÄ 1982 reicht in Zweifelsfällen nicht die Behauptung aus, es seien umfangreiche Änderungen an Apparaturen durchgeführt worden, wenn hierfür kein Nachweis erbracht wird.
6. Die Darstellung eines Nervs in seinem Verlauf zum Schutz während eines chirurgischen Eingriffes ist keine Neurolyse, die nach den Nr 2584 GOÄ 1982 abrechenbar ist.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. hat der Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und trägt die Gerichtskosten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit und Verfristung der Klage gegen eine sachlich-rechnerische Berichtigung der Kieferbruchabrechnung für 11/2007 in dem Behandlungsfall X. X. (DAK) in Höhe von 1.512,42 €.
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis. Herr Dr. Dr. A. ist Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Herr B. ist Zahnarzt, und Frau Dr. C. sowie Frau D. sind Zahnärztinnen. Sie sind zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Die Beklagte forderte unter Datum vom 07.12.2007 von der Klägerin bezüglich des hier strittigen Behandlungsfalls den OP-Bericht und die Röntgenaufnahmen an.
Die Klägerin teilte hierauf unter Datum vom 12.12.2007 mit, bei Herrn EE sei eine modifizierte Le-Fort I Osteotomie nach Glasmann zur Oberkieferdehnung sowie eine Osteotomie des Unterkiefers zur medialen Unterkieferdistraktion durchgeführt worden. Die Behandlung sei im Rahmen einer kombinierten kieferorthopädischen-kieferchirurgischen Therapie erfolgt. Die Behandlung sei in allen Bestandteilen von der Krankenkasse genehmigt worden. Ergänzend führte sie unter Datum vom 14.03.2008 aus, nach ihren Unterlagen seien die Röntgenbilder bereits am 17.01.2008 zugegangen. Wenn diese Röntgenbilder nun nicht mehr auffindbar seien, liege dies nicht in ihrem Verantwortungsbereich.
Die Beklagte nahm mit Bescheid vom 02.07.2009 die strittigen Berichtigungen vor. Darin führte sie aus, alle Wiederholungen der Nr. 40 BEMA-Z (insgesamt 8x) und Nr. 41a BEMA-Z (insgesamt 6x) am Behandlungstag 02.11.2007 seien abzusetzen, da deren Notwendigkeit in Verbindung mit einem Eingriff in Allgemeinnarkose nicht gegeben sei. Bei dem vorliegenden chirurgischen Eingriff in Allgemeinnarkose sei auch die Notwendigkeit der Abrechnung der extraoralen Leitungsanästhesie nach Nr. 41b BEMA-Z nicht erkennbar. Nr. 41b BEMA-Z sei daher am Behandlungstag 02.11.2007 zweimal zu streichen. Der Verschluss eines Kieferhöhlenfensters im Zusammenhang eines OP-Eingriffs an der Kieferhöhle nach Nr. 1467, 1468, 1485 oder 1586 GOÄ-82 sei nicht gesondert nach Nr. 59 oder/und Nr. 51a BEMA-Z abrechenbar, da der Wundverschluss Bestandteil der chirurgischen Hauptleistung sei. Nr. 51a BEMA-Z sei daher zweimal zu streichen. Der Ansatz der Nr. 2255 GOÄ-82 (“Freie Verpflanzung eines Knochens oder von Knochenteilen ≪Knochenspäne≫„) sei im Rahmen einer Dysgnathieoperation nicht nachvollziehbar. Nr. 2255 GOÄ-82 sei einmal zu streichen. Die Allgemeinen Bestimmungen zu Abschnitt C II legten fest, dass die Leistungen nach Nr. 271 oder 272 je Gefäßzugang einmal, insgesamt jedoch nicht mehr als zweimal je Behandlungstag berechnungsfähig seien (vgl. 2. Absatz der Allgemeinen Bestimmungen zu Abschnitt C II). Die Nr. 8271 GOÄ-82 sei daher an dem Behandlungstag 02.11.2007 viermal sowie an den Behandlungstagen 03., 04., 05. und 06.11.2007 je zweimal zu streichen. Leistungen nach Nr. 2702 GOÄ-82 würden für alle Behandlungstage (insgesamt 20x) abgesetzt werden, da für das Abnehmen und wieder eingliedern einer Verbandplatte diese Gebührennr. nicht abrechenbar sei. Kontrollbehandlungen auch mit Einstellungsmaßnahmen, z. B. durch das Drehen von Schrauben, erfüllten den Leistungsinhalt der Nr. 2702 GOÄ-82 ebf. nicht. Dieser setze nach Leistungsbeschreibung kleine Änderungen, teilweise Erneuerung von Schienen...