Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragszahnärztliche Versorgung. Nachweis der vollständigen Leistungserbringung grundsätzlich mit Abrechnung. keine Nachreichung oder Ergänzung im Gerichtsverfahren. Erbringung von Anästhesieleistungen bei einer Intubationsnarkose. Abrechenbarkeit der Gebührennummer 2584 der GOÄ (juris: GOÄ 1982). Kassen(zahn)ärztliche Vereinigungen. Zuständigkeit für sachlich-rechnerische Berichtigungen
Leitsatz (amtlich)
1. Die vollständige Leistungserbringung ist grundsätzlich bereits mit der Abrechnung nachzuweisen. In Zweifelsfällen kann sie in einem Verwaltungsverfahren nachgereicht werden. Im Gerichtsverfahren kann die Dokumentation weder nachgereicht noch ergänzt werden. Insofern ist auch die Amtsermittlungspflicht beschränkt. Die Amtsermittlungspflicht gilt nur für die Frage, in welchem Umfang im Verwaltungsverfahren Unterlagen vorgelegt wurden und ob diese zum Nachweis der Leistungserbringung ausreichend waren.
2. Bei einer Intubationsnarkose können weitere Anästhesieleistungen erbracht werden. Für ihren Nachweis ist aber erforderlich, dass sich aus dem OP-Bericht entnehmen lässt, dass bzw. wann (in Bezug auf den Operationsverlauf) der Vertragszahnarzt diese weiteren Anästhesieleistungen erbracht hat (vgl SG Marburg vom 15.3.2006 - S 12 KA 26/05).
3. Die Darstellung eines Nervs in seinem Verlauf zum Schutz während eines chirurgischen Eingriffes ist keine Neurolyse, die nach den Nr 2584 GOÄ-82 abrechenbar ist.
Orientierungssatz
Für die sachlich-rechnerische Berichtigung sind die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen zuständig.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat der Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und trägt die Gerichtskosten.
3. Die Berufung wird nicht zugelassen
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine sachlich-rechnerische Berichtigung der Kieferbruchabrechnung für 06/2009 in dem Behandlungsfall HH (Siemens BKK) in Höhe von 620,03 €.
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis. Herr Dr. Dr. A. ist Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Herr C. ist Zahnarzt, und Frau Dr. D. sowie Frau E. sind Zahnärztinnen. Sie sind zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Die Beklagte hörte die Klägerin unter Datum vom 16.07.2008 zur KB-Abrechnung 06/2008 im Fall HH an und bat um eine Einreichung weiterer Unterlagen.
Die Klägerin übersandte u. a. den OP-Bericht und führte aus, es habe sich um eine genehmigte kombinierte kieferorthopädisch/kieferchirurgische Behandlung einer schweren Gesichtsasymmetrie gehandelt. Es seien die Osteosyntheseplatten im Ober- und Unterkiefer entfernt worden sowie erneut eine operative Verlagerung von Spina mentalis und Pogonium vorgenommen worden. Dies habe der Verbesserung des Mund- und Lippenschlusses gedient. Aus diesem Grund sei die GOÄ-82 Nr. 2690, operative Reposition und Fixation durch Osteosynthese bei Unterkieferbruch ansetzbar. Die Wiederholung der Anästhesie habe sich durch Möglichkeit der Erreichung einer Blutungsleere und zur Reduktion der Tiefe der Narkose ergeben. Der mehrmalige Ansatz der Gebührenziffer 2702 GOÄ-82 an den Behandlungstagen 10., 11., 12. und 13.06. habe sich durch die Notwendigkeit ergeben, die Verbandsplatte zu kürzen bzw. anzupassen, nachdem Druckstellen aufgetreten seien.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 02.07.2009 alle Wiederholungen der Nr. 40 BEMA-Z (insgesamt 8x) und Nr. 41a BEMA-Z (insgesamt 2x) am Behandlungstag 09.06.2008 ab, da deren Notwendigkeit in Verbindung mit einem Eingriff in Allgemeinnarkose nicht gegeben sei. Die Nr. 2584 (Neurolyse mit Nervenverlagerung und Neueinbettung) sei im Zusammenhang mit einer Metallentfernung nach Nr. 2694 GOÄ-82 (Operative Entfernung von Osteosynthesematerial aus einem Kiefer- oder Gesichtsknochen, je Fraktur) medizinisch nicht nachvollziehbar und daher zweimal zu streichen. Leistungen nach Nr. 2702 GOÄ-82 würden für alle Behandlungstage (insgesamt 9x) abgesetzt werden, da für das Abnehmen und wieder Eingliedern einer Verbandplatte diese Gebührennummer nicht abrechenbar sei. Kontrollbehandlungen auch mit Einstellungsmaßnahmen z. B. durch das Drehen von Schrauben erfüllten den Leistungsinhalt der Nr. 2702 GOÄ-82 ebenfalls nicht. Dieser setze nach Leistungsbeschreibung kleine Änderungen, teilweise Erneuerung von Schienen oder Stützapparaten oder auch die Entfernung von Schienen oder Stützapparaten voraus.
Hiergegen legte die Klägerin am 21.07.2009 Widerspruch ein. Sie trug vor, die Wiederholungen der Nr. 40 und 41a BEMA-Z seien zu erstatten, nachdem der Eingriff länger als drei Stunden gedauert habe. Die Neurolyse sei notwendig geworden aufgrund der separat durchgeführten Osteotomie im Bereich des Corpus mandibulae. Hier sei deutlich zu erkennen, dass die Osteotomie durch das Foramen mentale führe. Diesbezüglich sei es dann im Rahmen der Ausheilung der Osteotomien zu Verwachsungen mit dem Nervus mentalis gekommen. Dies habe die Sensibilität des Nerven beeinträchtigt und eine Neurolyse notwendig gemacht. ...